Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

und der Stimme war die verzehrte fette Ente
anzuhören, "setzt Euch; es ist ein gut Stück' von
Euch zu mir herüber!"

"Ich komme, Deichgraf," sagte Tede Haien,
indem er sich auf die an der Wand entlang laufende
Bank dem Anderen im Winkel gegenübersetzte.
"Ihr habt Verdruß mit Euerem Kleinknecht gehabt
und seid mit meinem Jungen einig geworden,
ihn an dessen Stelle zu setzen!"

Der Deichgraf nickte: "Ja, ja, Tede; aber --
was meint Ihr mit Verdruß? Wir Marschleute
haben, Gott tröst' uns, was dagegen einzunehmen!"
und er nahm das vor ihm liegende Messer und
klopfte wie liebkosend auf das Gerippe der armen
Ente. "Das war mein Leibvogel," setzte er be-
haglich lachend hinzu; "sie fraß mir aus der
Hand!"

"Ich dachte," sagte der alte Haien, das Letzte
überhörend, "der Bengel hätte Euch Unheil im
Stall gemacht."

"Unheil? Ja, Tede; freilich Unheil genug!
Der dicke Mopsbraten hatte die Kälber nicht
gebörmt; aber er lag voll getrunken auf dem
Heuboden, und das Viehzeug schrie die ganze

und der Stimme war die verzehrte fette Ente
anzuhören, „ſetzt Euch; es iſt ein gut Stück' von
Euch zu mir herüber!”

„Ich komme, Deichgraf,” ſagte Tede Haien,
indem er ſich auf die an der Wand entlang laufende
Bank dem Anderen im Winkel gegenüberſetzte.
„Ihr habt Verdruß mit Euerem Kleinknecht gehabt
und ſeid mit meinem Jungen einig geworden,
ihn an deſſen Stelle zu ſetzen!”

Der Deichgraf nickte: „Ja, ja, Tede; aber —
was meint Ihr mit Verdruß? Wir Marſchleute
haben, Gott tröſt' uns, was dagegen einzunehmen!”
und er nahm das vor ihm liegende Meſſer und
klopfte wie liebkoſend auf das Gerippe der armen
Ente. „Das war mein Leibvogel,” ſetzte er be-
haglich lachend hinzu; „ſie fraß mir aus der
Hand!”

„Ich dachte,” ſagte der alte Haien, das Letzte
überhörend, „der Bengel hätte Euch Unheil im
Stall gemacht.”

„Unheil? Ja, Tede; freilich Unheil genug!
Der dicke Mopsbraten hatte die Kälber nicht
gebörmt; aber er lag voll getrunken auf dem
Heuboden, und das Viehzeug ſchrie die ganze

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0050" n="38"/>
und der Stimme war die verzehrte fette Ente<lb/>
anzuhören, &#x201E;&#x017F;etzt Euch; es i&#x017F;t ein gut Stück' von<lb/>
Euch zu mir herüber!&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich komme, Deichgraf,&#x201D; &#x017F;agte Tede Haien,<lb/>
indem er &#x017F;ich auf die an der Wand entlang laufende<lb/>
Bank dem Anderen im Winkel gegenüber&#x017F;etzte.<lb/>
&#x201E;Ihr habt Verdruß mit Euerem Kleinknecht gehabt<lb/>
und &#x017F;eid mit meinem Jungen einig geworden,<lb/>
ihn an de&#x017F;&#x017F;en Stelle zu &#x017F;etzen!&#x201D;</p><lb/>
        <p>Der Deichgraf nickte: &#x201E;Ja, ja, Tede; aber &#x2014;<lb/>
was meint Ihr mit Verdruß? Wir Mar&#x017F;chleute<lb/>
haben, Gott trö&#x017F;t' uns, was dagegen einzunehmen!&#x201D;<lb/>
und er nahm das vor ihm liegende Me&#x017F;&#x017F;er und<lb/>
klopfte wie liebko&#x017F;end auf das Gerippe der armen<lb/>
Ente. &#x201E;Das war mein Leibvogel,&#x201D; &#x017F;etzte er be-<lb/>
haglich lachend hinzu; &#x201E;&#x017F;ie fraß mir aus der<lb/>
Hand!&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich dachte,&#x201D; &#x017F;agte der alte Haien, das Letzte<lb/>
überhörend, &#x201E;der Bengel hätte Euch Unheil im<lb/>
Stall gemacht.&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Unheil? Ja, Tede; freilich Unheil genug!<lb/>
Der dicke Mopsbraten hatte die Kälber nicht<lb/>
gebörmt; aber er lag voll getrunken auf dem<lb/>
Heuboden, und das Viehzeug &#x017F;chrie die ganze<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0050] und der Stimme war die verzehrte fette Ente anzuhören, „ſetzt Euch; es iſt ein gut Stück' von Euch zu mir herüber!” „Ich komme, Deichgraf,” ſagte Tede Haien, indem er ſich auf die an der Wand entlang laufende Bank dem Anderen im Winkel gegenüberſetzte. „Ihr habt Verdruß mit Euerem Kleinknecht gehabt und ſeid mit meinem Jungen einig geworden, ihn an deſſen Stelle zu ſetzen!” Der Deichgraf nickte: „Ja, ja, Tede; aber — was meint Ihr mit Verdruß? Wir Marſchleute haben, Gott tröſt' uns, was dagegen einzunehmen!” und er nahm das vor ihm liegende Meſſer und klopfte wie liebkoſend auf das Gerippe der armen Ente. „Das war mein Leibvogel,” ſetzte er be- haglich lachend hinzu; „ſie fraß mir aus der Hand!” „Ich dachte,” ſagte der alte Haien, das Letzte überhörend, „der Bengel hätte Euch Unheil im Stall gemacht.” „Unheil? Ja, Tede; freilich Unheil genug! Der dicke Mopsbraten hatte die Kälber nicht gebörmt; aber er lag voll getrunken auf dem Heuboden, und das Viehzeug ſchrie die ganze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/50
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/50>, abgerufen am 24.04.2024.