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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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Am anderen Tage trat Tede Haien mit seinem
Sohne in das geräumige Zimmer des Deichgrafen;
die Wände waren mit glasurten Kacheln bekleidet,
auf denen hier ein Schiff mit vollen Segeln oder
ein Angler an einem Uferplatz, dort ein Rind, das
kauernd vor einem Bauernhause lag, den Beschauer
vergnügen konnte; unterbrochen war diese dauer-
hafte Tapete durch ein mächtiges Wandbett mit
jetzt zugeschobenen Thüren und einen Wandschrank,
der durch seine beiden Glasthüren allerlei Porzellan-
und Silbergeschirr erblicken ließ; neben der Thür
zum anstoßenden Pesel war hinter einer Glas-
scheibe eine holländische Schlaguhr in die Wand
gelassen.

Der starke, etwas schlagflüssige Hauswirth saß
am Ende des blankgescheuerten Tisches im Lehnstuhl
auf seinem bunten Wollenpolster. Er hatte seine
Hände über dem Bauch gefaltet und starrte aus
seinen runden Augen befriedigt auf das Gerippe
einer fetten Ente; Gabel und Messer ruhten vor
ihm auf dem Teller.

"Guten Tag, Deichgraf!" sagte Haien, und
der Angeredete drehte langsam Kopf und Augen
zu ihm hin. "Ihr seid es, Tede?" entgegnete er,

Am anderen Tage trat Tede Haien mit ſeinem
Sohne in das geräumige Zimmer des Deichgrafen;
die Wände waren mit glaſurten Kacheln bekleidet,
auf denen hier ein Schiff mit vollen Segeln oder
ein Angler an einem Uferplatz, dort ein Rind, das
kauernd vor einem Bauernhauſe lag, den Beſchauer
vergnügen konnte; unterbrochen war dieſe dauer-
hafte Tapete durch ein mächtiges Wandbett mit
jetzt zugeſchobenen Thüren und einen Wandſchrank,
der durch ſeine beiden Glasthüren allerlei Porzellan-
und Silbergeſchirr erblicken ließ; neben der Thür
zum anſtoßenden Peſel war hinter einer Glas-
ſcheibe eine holländiſche Schlaguhr in die Wand
gelaſſen.

Der ſtarke, etwas ſchlagflüſſige Hauswirth ſaß
am Ende des blankgeſcheuerten Tiſches im Lehnſtuhl
auf ſeinem bunten Wollenpolſter. Er hatte ſeine
Hände über dem Bauch gefaltet und ſtarrte aus
ſeinen runden Augen befriedigt auf das Gerippe
einer fetten Ente; Gabel und Meſſer ruhten vor
ihm auf dem Teller.

„Guten Tag, Deichgraf!” ſagte Haien, und
der Angeredete drehte langſam Kopf und Augen
zu ihm hin. „Ihr ſeid es, Tede?” entgegnete er,

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[37/0049] Am anderen Tage trat Tede Haien mit ſeinem Sohne in das geräumige Zimmer des Deichgrafen; die Wände waren mit glaſurten Kacheln bekleidet, auf denen hier ein Schiff mit vollen Segeln oder ein Angler an einem Uferplatz, dort ein Rind, das kauernd vor einem Bauernhauſe lag, den Beſchauer vergnügen konnte; unterbrochen war dieſe dauer- hafte Tapete durch ein mächtiges Wandbett mit jetzt zugeſchobenen Thüren und einen Wandſchrank, der durch ſeine beiden Glasthüren allerlei Porzellan- und Silbergeſchirr erblicken ließ; neben der Thür zum anſtoßenden Peſel war hinter einer Glas- ſcheibe eine holländiſche Schlaguhr in die Wand gelaſſen. Der ſtarke, etwas ſchlagflüſſige Hauswirth ſaß am Ende des blankgeſcheuerten Tiſches im Lehnſtuhl auf ſeinem bunten Wollenpolſter. Er hatte ſeine Hände über dem Bauch gefaltet und ſtarrte aus ſeinen runden Augen befriedigt auf das Gerippe einer fetten Ente; Gabel und Meſſer ruhten vor ihm auf dem Teller. „Guten Tag, Deichgraf!” ſagte Haien, und der Angeredete drehte langſam Kopf und Augen zu ihm hin. „Ihr ſeid es, Tede?” entgegnete er,

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/49>, abgerufen am 23.04.2024.