von dort ihre Augen über den Deich hinaus nach dem Meer zu haben, wo an dem stillen Abend die Sonne eben in das Wasser hinabsank und zugleich das bräun- liche Mädchen mit ihrem letzten Schein vergoldete.
Hauke stieg etwas langsamer an der Werfte hinan und dachte bei sich: "So ist sie nicht so dösig!" dann war er oben. "Guten Abend auch!" sagte er zu ihr tretend; "wonach guckst Du denn mit Deinen großen Augen, Jungfer Elke?"
"Nach dem," erwiderte sie, "was hier alle Abend vor sich geht; aber hier nicht alle Abend just zu sehen ist." Sie ließ den Ring aus der Hand fallen, daß er klingend gegen die Mauer schlug. "Was willst Du, Hauke Haien?" frug sie.
"Was Dir hoffentlich nicht zuwider ist", sagte er. "Dein Vater hat seinen Kleinknecht fortge- jagt, da dachte ich bei Euch in Dienst."
Sie ließ ihre Blicke an ihm herunterlaufen: "Du bist noch so was schlanterig, Hauke!" sagte sie; "aber uns dienen zwei feste Augen besser als zwei feste Arme!" Sie sah ihn dabei fast düster an; aber Hauke hielt ihr tapfer Stand. "So komm," fuhr sie fort; "der Wirth ist in der Stube, laß uns hineingehen!"
von dort ihre Augen über den Deich hinaus nach dem Meer zu haben, wo an dem ſtillen Abend die Sonne eben in das Waſſer hinabſank und zugleich das bräun- liche Mädchen mit ihrem letzten Schein vergoldete.
Hauke ſtieg etwas langſamer an der Werfte hinan und dachte bei ſich: „So iſt ſie nicht ſo döſig!” dann war er oben. „Guten Abend auch!” ſagte er zu ihr tretend; „wonach guckſt Du denn mit Deinen großen Augen, Jungfer Elke?”
„Nach dem,” erwiderte ſie, „was hier alle Abend vor ſich geht; aber hier nicht alle Abend juſt zu ſehen iſt.” Sie ließ den Ring aus der Hand fallen, daß er klingend gegen die Mauer ſchlug. „Was willſt Du, Hauke Haien?” frug ſie.
„Was Dir hoffentlich nicht zuwider iſt”, ſagte er. „Dein Vater hat ſeinen Kleinknecht fortge- jagt, da dachte ich bei Euch in Dienſt.”
Sie ließ ihre Blicke an ihm herunterlaufen: „Du biſt noch ſo was ſchlanterig, Hauke!” ſagte ſie; „aber uns dienen zwei feſte Augen beſſer als zwei feſte Arme!” Sie ſah ihn dabei faſt düſter an; aber Hauke hielt ihr tapfer Stand. „So komm,” fuhr ſie fort; „der Wirth iſt in der Stube, laß uns hineingehen!”
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0048"n="36"/>
von dort ihre Augen über den Deich hinaus nach dem<lb/>
Meer zu haben, wo an dem ſtillen Abend die Sonne<lb/>
eben in das Waſſer hinabſank und zugleich das bräun-<lb/>
liche Mädchen mit ihrem letzten Schein vergoldete.</p><lb/><p>Hauke ſtieg etwas langſamer an der Werfte<lb/>
hinan und dachte bei ſich: „So iſt ſie nicht ſo<lb/>
döſig!” dann war er oben. „Guten Abend auch!”<lb/>ſagte er zu ihr tretend; „wonach guckſt Du denn<lb/>
mit Deinen großen Augen, Jungfer Elke?”</p><lb/><p>„Nach dem,” erwiderte ſie, „was hier alle<lb/>
Abend vor ſich geht; aber hier nicht alle Abend<lb/>
juſt zu ſehen iſt.” Sie ließ den Ring aus der<lb/>
Hand fallen, daß er klingend gegen die Mauer<lb/>ſchlug. „Was willſt Du, Hauke Haien?” frug ſie.</p><lb/><p>„Was Dir hoffentlich nicht zuwider iſt”, ſagte<lb/>
er. „Dein Vater hat ſeinen Kleinknecht fortge-<lb/>
jagt, da dachte ich bei Euch in Dienſt.”</p><lb/><p>Sie ließ ihre Blicke an ihm herunterlaufen:<lb/>„Du biſt noch ſo was ſchlanterig, Hauke!”ſagte<lb/>ſie; „aber uns dienen zwei feſte Augen beſſer als<lb/>
zwei feſte Arme!” Sie ſah ihn dabei faſt düſter<lb/>
an; aber Hauke hielt ihr tapfer Stand. „So<lb/>
komm,” fuhr ſie fort; „der Wirth iſt in der<lb/>
Stube, laß uns hineingehen!”</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[36/0048]
von dort ihre Augen über den Deich hinaus nach dem
Meer zu haben, wo an dem ſtillen Abend die Sonne
eben in das Waſſer hinabſank und zugleich das bräun-
liche Mädchen mit ihrem letzten Schein vergoldete.
Hauke ſtieg etwas langſamer an der Werfte
hinan und dachte bei ſich: „So iſt ſie nicht ſo
döſig!” dann war er oben. „Guten Abend auch!”
ſagte er zu ihr tretend; „wonach guckſt Du denn
mit Deinen großen Augen, Jungfer Elke?”
„Nach dem,” erwiderte ſie, „was hier alle
Abend vor ſich geht; aber hier nicht alle Abend
juſt zu ſehen iſt.” Sie ließ den Ring aus der
Hand fallen, daß er klingend gegen die Mauer
ſchlug. „Was willſt Du, Hauke Haien?” frug ſie.
„Was Dir hoffentlich nicht zuwider iſt”, ſagte
er. „Dein Vater hat ſeinen Kleinknecht fortge-
jagt, da dachte ich bei Euch in Dienſt.”
Sie ließ ihre Blicke an ihm herunterlaufen:
„Du biſt noch ſo was ſchlanterig, Hauke!” ſagte
ſie; „aber uns dienen zwei feſte Augen beſſer als
zwei feſte Arme!” Sie ſah ihn dabei faſt düſter
an; aber Hauke hielt ihr tapfer Stand. „So
komm,” fuhr ſie fort; „der Wirth iſt in der
Stube, laß uns hineingehen!”
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin), April/Mai 1888. Erste Buchausgabe Berlin: Paetel 1888, diese wurde für das DTA zur Digitalisierung herangezogen.
Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/48>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.