Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

nun verschwand rechts und links die Holzung; statt
dessen streckten sich dichtbelaubte Weinhügel am Wege
entlang; zu beiden Seiten desselben standen blühende
Obstbäume voll summender, wühlender Bienen. Ein
stattlicher Mann in braunem Ueberrock kam dem Wan¬
derer entgegen. Als er ihn fast erreicht hatte, schwenkte
er seine Mütze und rief mit heller Stimme: Willkom¬
men, willkommen, Bruder Reinhardt! Willkommen
auf Gut Immensee!

Gott grüß dich, Erich, und Dank für dein Willkom¬
men! rief ihm der Andre entgegen.

Dann waren sie zu einander gekommen und reichten
sich die Hände. Bist du es denn aber auch? sagte
Erich, als er so nahe in das ernste Gesicht seines alten
Schulkameraden sah.

Freilich bin ich's, Erich, und du bist es auch; nur
siehst du noch fast heiterer aus, als du schon sonst
immer gethan hast.

Ein frohes Lächeln machte Erichs einfache Züge bei
diesen Worten noch um Vieles heiterer. Ja, Bruder
Reinhardt, sagte er, diesem noch einmal seine Hand
reichend, ich habe aber auch seitdem das große Loos
gezogen; du weißt es ja. Dann rieb er sich die Hände

nun verſchwand rechts und links die Holzung; ſtatt
deſſen ſtreckten ſich dichtbelaubte Weinhügel am Wege
entlang; zu beiden Seiten deſſelben ſtanden blühende
Obſtbäume voll ſummender, wühlender Bienen. Ein
ſtattlicher Mann in braunem Ueberrock kam dem Wan¬
derer entgegen. Als er ihn faſt erreicht hatte, ſchwenkte
er ſeine Mütze und rief mit heller Stimme: Willkom¬
men, willkommen, Bruder Reinhardt! Willkommen
auf Gut Immenſee!

Gott grüß dich, Erich, und Dank für dein Willkom¬
men! rief ihm der Andre entgegen.

Dann waren ſie zu einander gekommen und reichten
ſich die Hände. Biſt du es denn aber auch? ſagte
Erich, als er ſo nahe in das ernſte Geſicht ſeines alten
Schulkameraden ſah.

Freilich bin ich's, Erich, und du biſt es auch; nur
ſiehſt du noch faſt heiterer aus, als du ſchon ſonſt
immer gethan haſt.

Ein frohes Lächeln machte Erichs einfache Züge bei
dieſen Worten noch um Vieles heiterer. Ja, Bruder
Reinhardt, ſagte er, dieſem noch einmal ſeine Hand
reichend, ich habe aber auch ſeitdem das große Loos
gezogen; du weißt es ja. Dann rieb er ſich die Hände

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0046" n="40"/>
nun ver&#x017F;chwand rechts und links die Holzung; &#x017F;tatt<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;treckten &#x017F;ich dichtbelaubte Weinhügel am Wege<lb/>
entlang; zu beiden Seiten de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;tanden blühende<lb/>
Ob&#x017F;tbäume voll &#x017F;ummender, wühlender Bienen. Ein<lb/>
&#x017F;tattlicher Mann in braunem Ueberrock kam dem Wan¬<lb/>
derer entgegen. Als er ihn fa&#x017F;t erreicht hatte, &#x017F;chwenkte<lb/>
er &#x017F;eine Mütze und rief mit heller Stimme: Willkom¬<lb/>
men, willkommen, Bruder Reinhardt! Willkommen<lb/>
auf Gut Immen&#x017F;ee!</p><lb/>
        <p>Gott grüß dich, Erich, und Dank für dein Willkom¬<lb/>
men! rief ihm der Andre entgegen.</p><lb/>
        <p>Dann waren &#x017F;ie zu einander gekommen und reichten<lb/>
&#x017F;ich die Hände. Bi&#x017F;t du es denn aber auch? &#x017F;agte<lb/>
Erich, als er &#x017F;o nahe in das ern&#x017F;te Ge&#x017F;icht &#x017F;eines alten<lb/>
Schulkameraden &#x017F;ah.</p><lb/>
        <p>Freilich bin ich's, Erich, und du bi&#x017F;t es auch; nur<lb/>
&#x017F;ieh&#x017F;t du noch fa&#x017F;t heiterer aus, als du &#x017F;chon &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
immer gethan ha&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Ein frohes Lächeln machte Erichs einfache Züge bei<lb/>
die&#x017F;en Worten noch um Vieles heiterer. Ja, Bruder<lb/>
Reinhardt, &#x017F;agte er, die&#x017F;em noch einmal &#x017F;eine Hand<lb/>
reichend, ich habe aber auch &#x017F;eitdem das große Loos<lb/>
gezogen; du weißt es ja. Dann rieb er &#x017F;ich die Hände<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0046] nun verſchwand rechts und links die Holzung; ſtatt deſſen ſtreckten ſich dichtbelaubte Weinhügel am Wege entlang; zu beiden Seiten deſſelben ſtanden blühende Obſtbäume voll ſummender, wühlender Bienen. Ein ſtattlicher Mann in braunem Ueberrock kam dem Wan¬ derer entgegen. Als er ihn faſt erreicht hatte, ſchwenkte er ſeine Mütze und rief mit heller Stimme: Willkom¬ men, willkommen, Bruder Reinhardt! Willkommen auf Gut Immenſee! Gott grüß dich, Erich, und Dank für dein Willkom¬ men! rief ihm der Andre entgegen. Dann waren ſie zu einander gekommen und reichten ſich die Hände. Biſt du es denn aber auch? ſagte Erich, als er ſo nahe in das ernſte Geſicht ſeines alten Schulkameraden ſah. Freilich bin ich's, Erich, und du biſt es auch; nur ſiehſt du noch faſt heiterer aus, als du ſchon ſonſt immer gethan haſt. Ein frohes Lächeln machte Erichs einfache Züge bei dieſen Worten noch um Vieles heiterer. Ja, Bruder Reinhardt, ſagte er, dieſem noch einmal ſeine Hand reichend, ich habe aber auch ſeitdem das große Loos gezogen; du weißt es ja. Dann rieb er ſich die Hände

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Theodor Storms Novelle "Immensee" erschien zuerst… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852/46
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852/46>, abgerufen am 23.11.2024.