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Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852.

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und rief vergnügt: Das wird eine Ueberraschung!
Den erwartet sie nicht, in alle Ewigkeiten nicht!

Eine Ueberraschung? fragte Reinhardt. Für wen
denn?

Für Elisabeth.

Elisabeth! Du hast ihr nicht von meinem Besuch
gesagt?

Kein Wort, Bruder Reinhardt; sie denkt nicht an
dich, die Mutter auch nicht. Ich hab' dich ganz im
Geheim verschrieben, damit die Freude desto größer sei.
Du weißt, ich hatte immer so meine stillen Plänchen.

Reinhardt wurde nachdenklich; der Athem schien
ihm schwer zu werden, je näher sie dem Hofe kamen.
An der linken Seite des Weges hörten nun auch die
Weingärten auf und machten einem weitläuftigen
Küchengarten Platz, der sich bis fast an das Ufer des
Sees hinabzog. Der Storch hatte sich mittlerweile
niedergelassen, und spazierte gravitätisch zwischen den
Gemüsebeeten umher. Holla! rief Erich in die Hände
klatschend, stiehlt mir der hochbeinichte Aegypter schon
wieder meine kurzen Erbsenstangen! Der Vogel erhob
sich langsam, und flog auf das Dach eines neuen Ge¬
bäudes, das am Ende des Küchengartens lag und

und rief vergnügt: Das wird eine Ueberraſchung!
Den erwartet ſie nicht, in alle Ewigkeiten nicht!

Eine Ueberraſchung? fragte Reinhardt. Für wen
denn?

Für Eliſabeth.

Eliſabeth! Du haſt ihr nicht von meinem Beſuch
geſagt?

Kein Wort, Bruder Reinhardt; ſie denkt nicht an
dich, die Mutter auch nicht. Ich hab' dich ganz im
Geheim verſchrieben, damit die Freude deſto größer ſei.
Du weißt, ich hatte immer ſo meine ſtillen Plänchen.

Reinhardt wurde nachdenklich; der Athem ſchien
ihm ſchwer zu werden, je näher ſie dem Hofe kamen.
An der linken Seite des Weges hörten nun auch die
Weingärten auf und machten einem weitläuftigen
Küchengarten Platz, der ſich bis faſt an das Ufer des
Sees hinabzog. Der Storch hatte ſich mittlerweile
niedergelaſſen, und ſpazierte gravitätiſch zwiſchen den
Gemüſebeeten umher. Holla! rief Erich in die Hände
klatſchend, ſtiehlt mir der hochbeinichte Aegypter ſchon
wieder meine kurzen Erbſenſtangen! Der Vogel erhob
ſich langſam, und flog auf das Dach eines neuen Ge¬
bäudes, das am Ende des Küchengartens lag und

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[41/0047] und rief vergnügt: Das wird eine Ueberraſchung! Den erwartet ſie nicht, in alle Ewigkeiten nicht! Eine Ueberraſchung? fragte Reinhardt. Für wen denn? Für Eliſabeth. Eliſabeth! Du haſt ihr nicht von meinem Beſuch geſagt? Kein Wort, Bruder Reinhardt; ſie denkt nicht an dich, die Mutter auch nicht. Ich hab' dich ganz im Geheim verſchrieben, damit die Freude deſto größer ſei. Du weißt, ich hatte immer ſo meine ſtillen Plänchen. Reinhardt wurde nachdenklich; der Athem ſchien ihm ſchwer zu werden, je näher ſie dem Hofe kamen. An der linken Seite des Weges hörten nun auch die Weingärten auf und machten einem weitläuftigen Küchengarten Platz, der ſich bis faſt an das Ufer des Sees hinabzog. Der Storch hatte ſich mittlerweile niedergelaſſen, und ſpazierte gravitätiſch zwiſchen den Gemüſebeeten umher. Holla! rief Erich in die Hände klatſchend, ſtiehlt mir der hochbeinichte Aegypter ſchon wieder meine kurzen Erbſenſtangen! Der Vogel erhob ſich langſam, und flog auf das Dach eines neuen Ge¬ bäudes, das am Ende des Küchengartens lag und

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852/47>, abgerufen am 23.11.2024.