Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

antrat, fehlte unter seinem Arm der rothseidene Regenschirm, und sein hoher Filzhut zitterte auf der fuchsfarbenen Perrücke. Am schlimmsten aber war es, daß bei seinem alten Nikolaus, der durch einen Schlag über den Schädel betäubt war, nur mit genauer Noth noch Leib und Seele bei einander blieben.

Das war es gewesen, was dem braven Soldaten John Hansen eine sechsjährige Zuchthausstrafe und den Namen John Glückstadt eingetragen hatte. Seltsam war es, daß nach Publicirung des Urtheils auch unter den städtischen Honoratioren von mancher Seite für den Verurtheilten Partei ergriffen wurde; man hob hervor, daß er die goldene Uhr des Exsenators, die ihm als Beuteantheil zugefallen war, schon am Tage nach der That einem jungen Vetter auf dem Lande als Confirmationsgeschenk gegeben habe, was freilich dann zuerst der Anlaß zu seiner Verhaftung geworden war. "Schad' um den Burschen", sagten die einen, "daß er ein Spitzbube geworden! Sieht er nicht aus, als hätte er General werden müssen?" und die andern erwiderten: "Freilich, doch mehr

antrat, fehlte unter seinem Arm der rothseidene Regenschirm, und sein hoher Filzhut zitterte auf der fuchsfarbenen Perrücke. Am schlimmsten aber war es, daß bei seinem alten Nikolaus, der durch einen Schlag über den Schädel betäubt war, nur mit genauer Noth noch Leib und Seele bei einander blieben.

Das war es gewesen, was dem braven Soldaten John Hansen eine sechsjährige Zuchthausstrafe und den Namen John Glückstadt eingetragen hatte. Seltsam war es, daß nach Publicirung des Urtheils auch unter den städtischen Honoratioren von mancher Seite für den Verurtheilten Partei ergriffen wurde; man hob hervor, daß er die goldene Uhr des Exsenators, die ihm als Beuteantheil zugefallen war, schon am Tage nach der That einem jungen Vetter auf dem Lande als Confirmationsgeschenk gegeben habe, was freilich dann zuerst der Anlaß zu seiner Verhaftung geworden war. „Schad’ um den Burschen“, sagten die einen, „daß er ein Spitzbube geworden! Sieht er nicht aus, als hätte er General werden müssen?“ und die andern erwiderten: „Freilich, doch mehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0040" n="40"/>
antrat, fehlte unter seinem Arm der rothseidene Regenschirm, und sein hoher Filzhut zitterte auf der fuchsfarbenen Perrücke. Am schlimmsten aber war es, daß bei seinem alten Nikolaus, der durch einen Schlag über den Schädel betäubt war, nur mit genauer Noth noch Leib und Seele bei einander blieben.</p>
        <p>Das war es gewesen, was dem braven Soldaten John Hansen eine sechsjährige Zuchthausstrafe und den Namen John Glückstadt eingetragen hatte. Seltsam war es, daß nach Publicirung des Urtheils auch unter den städtischen Honoratioren von mancher Seite für den Verurtheilten Partei ergriffen wurde; man hob hervor, daß er die goldene Uhr des Exsenators, die ihm als Beuteantheil zugefallen war, schon am Tage nach der That einem jungen Vetter auf dem Lande als Confirmationsgeschenk gegeben habe, was freilich dann zuerst der Anlaß zu seiner Verhaftung geworden war. &#x201E;Schad&#x2019; um den Burschen&#x201C;, sagten die einen, &#x201E;daß er ein Spitzbube geworden! Sieht er nicht aus, als hätte er General werden müssen?&#x201C; und die andern erwiderten: &#x201E;Freilich, doch mehr
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0040] antrat, fehlte unter seinem Arm der rothseidene Regenschirm, und sein hoher Filzhut zitterte auf der fuchsfarbenen Perrücke. Am schlimmsten aber war es, daß bei seinem alten Nikolaus, der durch einen Schlag über den Schädel betäubt war, nur mit genauer Noth noch Leib und Seele bei einander blieben. Das war es gewesen, was dem braven Soldaten John Hansen eine sechsjährige Zuchthausstrafe und den Namen John Glückstadt eingetragen hatte. Seltsam war es, daß nach Publicirung des Urtheils auch unter den städtischen Honoratioren von mancher Seite für den Verurtheilten Partei ergriffen wurde; man hob hervor, daß er die goldene Uhr des Exsenators, die ihm als Beuteantheil zugefallen war, schon am Tage nach der That einem jungen Vetter auf dem Lande als Confirmationsgeschenk gegeben habe, was freilich dann zuerst der Anlaß zu seiner Verhaftung geworden war. „Schad’ um den Burschen“, sagten die einen, „daß er ein Spitzbube geworden! Sieht er nicht aus, als hätte er General werden müssen?“ und die andern erwiderten: „Freilich, doch mehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-15T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/40
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/40>, abgerufen am 28.04.2024.