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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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rief er und sah sich um, als ob er auch hier noch nicht ganz sicher sei; "lacht nur nicht; ich hab' es selbst gehört!" - Zwischen den Kartoffeln auf dem Acker neben dem Schinderbrunnen war er gewesen, um sich den Todtenkopf zu fangen, der in der Dämmerung dort fliegen sollte; da hatte es unweit von ihm aus dem Kornfeld seinen Namen "Christian!" gerufen, hohl und heiser, wie er solche Stimme nie gehört; und da er entsetzt davon gelaufen, sei es noch einmal hinter ihm hergekommen, als ob's ihn habe greifen wollen.

Ich wußte jetzt, nach über dreißig Jahren: es hatte nicht gespukt, und nicht Christian hatte er es rufen hören: den Namen seiner Tochter "Christine" hatte der Mann da drunten in hoffnungsloser Sehnsucht ausgestoßen.

Und noch eines wußte ich: ein Arbeiter, mein alter Freund aus der Kinderzeit, hatte einige Tage später draußen an dem Brunnen das Korn mähen helfen. "Da hätten wir bald einen Falken fangen können!" erzählte er mir eines Abends.

"Einen großen?" frug ich.

"Das mag der Herr glauben! Er war ein

rief er und sah sich um, als ob er auch hier noch nicht ganz sicher sei; „lacht nur nicht; ich hab’ es selbst gehört!“ – Zwischen den Kartoffeln auf dem Acker neben dem Schinderbrunnen war er gewesen, um sich den Todtenkopf zu fangen, der in der Dämmerung dort fliegen sollte; da hatte es unweit von ihm aus dem Kornfeld seinen Namen „Christian!“ gerufen, hohl und heiser, wie er solche Stimme nie gehört; und da er entsetzt davon gelaufen, sei es noch einmal hinter ihm hergekommen, als ob’s ihn habe greifen wollen.

Ich wußte jetzt, nach über dreißig Jahren: es hatte nicht gespukt, und nicht Christian hatte er es rufen hören: den Namen seiner Tochter „Christine“ hatte der Mann da drunten in hoffnungsloser Sehnsucht ausgestoßen.

Und noch eines wußte ich: ein Arbeiter, mein alter Freund aus der Kinderzeit, hatte einige Tage später draußen an dem Brunnen das Korn mähen helfen. „Da hätten wir bald einen Falken fangen können!“ erzählte er mir eines Abends.

„Einen großen?“ frug ich.

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[117/0117] rief er und sah sich um, als ob er auch hier noch nicht ganz sicher sei; „lacht nur nicht; ich hab’ es selbst gehört!“ – Zwischen den Kartoffeln auf dem Acker neben dem Schinderbrunnen war er gewesen, um sich den Todtenkopf zu fangen, der in der Dämmerung dort fliegen sollte; da hatte es unweit von ihm aus dem Kornfeld seinen Namen „Christian!“ gerufen, hohl und heiser, wie er solche Stimme nie gehört; und da er entsetzt davon gelaufen, sei es noch einmal hinter ihm hergekommen, als ob’s ihn habe greifen wollen. Ich wußte jetzt, nach über dreißig Jahren: es hatte nicht gespukt, und nicht Christian hatte er es rufen hören: den Namen seiner Tochter „Christine“ hatte der Mann da drunten in hoffnungsloser Sehnsucht ausgestoßen. Und noch eines wußte ich: ein Arbeiter, mein alter Freund aus der Kinderzeit, hatte einige Tage später draußen an dem Brunnen das Korn mähen helfen. „Da hätten wir bald einen Falken fangen können!“ erzählte er mir eines Abends. „Einen großen?“ frug ich. „Das mag der Herr glauben! Er war ein

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/117>, abgerufen am 24.11.2024.