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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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Stück in den alten Schinderbrunnen hinabgestoßen - der Himmel weiß, was drunten liegt - aber seine Fluchten waren zu weit in der Spanne, er schlug damit in dem engen Brunnen und kam nicht gleich heraus. Wir hatten nur keine Knüppel, ihn zu schlagen; auch wehte ein übler Dunst uns an; es war, als hätte schon vordem die Kreatur an Aas gesessen!"

Ich hatte damals dieser Rede nicht geachtet; mich schauderte, da mich die Erinnerung jetzt befiel; der feuchte Nachtwind, der mich anwehte, that mir wohl, vor allem, weil er von heut und nicht von damals war; ich wußte, der Brunnen war vor ein paar Jahren zugeschüttet. "Zu Bett!" sprach ich halblaut zu mir; "und, Seele, geh du auch zu Bett!"

Ich löschte das Licht und ließ das Fenster offen, damit Alles, was lebendig war, zu mir herein könne; und bälder, als ich gedacht hatte, kam der Schlaf; nur mit einem freundlichen Bilde spielte noch der Traum: ich sah die von der Morgensonne nur noch halb erleuchteten Straßen meiner Vaterstadt; ich hörte einen Wagen heranrasseln,

Stück in den alten Schinderbrunnen hinabgestoßen – der Himmel weiß, was drunten liegt – aber seine Fluchten waren zu weit in der Spanne, er schlug damit in dem engen Brunnen und kam nicht gleich heraus. Wir hatten nur keine Knüppel, ihn zu schlagen; auch wehte ein übler Dunst uns an; es war, als hätte schon vordem die Kreatur an Aas gesessen!“

Ich hatte damals dieser Rede nicht geachtet; mich schauderte, da mich die Erinnerung jetzt befiel; der feuchte Nachtwind, der mich anwehte, that mir wohl, vor allem, weil er von heut und nicht von damals war; ich wußte, der Brunnen war vor ein paar Jahren zugeschüttet. „Zu Bett!“ sprach ich halblaut zu mir; „und, Seele, geh du auch zu Bett!“

Ich löschte das Licht und ließ das Fenster offen, damit Alles, was lebendig war, zu mir herein könne; und bälder, als ich gedacht hatte, kam der Schlaf; nur mit einem freundlichen Bilde spielte noch der Traum: ich sah die von der Morgensonne nur noch halb erleuchteten Straßen meiner Vaterstadt; ich hörte einen Wagen heranrasseln,

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[118/0118] Stück in den alten Schinderbrunnen hinabgestoßen – der Himmel weiß, was drunten liegt – aber seine Fluchten waren zu weit in der Spanne, er schlug damit in dem engen Brunnen und kam nicht gleich heraus. Wir hatten nur keine Knüppel, ihn zu schlagen; auch wehte ein übler Dunst uns an; es war, als hätte schon vordem die Kreatur an Aas gesessen!“ Ich hatte damals dieser Rede nicht geachtet; mich schauderte, da mich die Erinnerung jetzt befiel; der feuchte Nachtwind, der mich anwehte, that mir wohl, vor allem, weil er von heut und nicht von damals war; ich wußte, der Brunnen war vor ein paar Jahren zugeschüttet. „Zu Bett!“ sprach ich halblaut zu mir; „und, Seele, geh du auch zu Bett!“ Ich löschte das Licht und ließ das Fenster offen, damit Alles, was lebendig war, zu mir herein könne; und bälder, als ich gedacht hatte, kam der Schlaf; nur mit einem freundlichen Bilde spielte noch der Traum: ich sah die von der Morgensonne nur noch halb erleuchteten Straßen meiner Vaterstadt; ich hörte einen Wagen heranrasseln,

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/118>, abgerufen am 28.11.2024.