Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

denn bei den übermüthigen Worten war wieder
jenes süße Augenspiel gewesen. Aber dieß Mal
hatte es mir gerad' in's Herz geleuchtet.

Bald danach ließ mich Herr Gerhardus auf sein
Zimmer rufen; er zeigte mir auf einer Karte
noch einmal, wie ich die weite Reise nach Amster¬
dam zu machen habe, übergab mir Briefe an
seine Freunde dort und sprach dann lange mit
mir, als meines lieben seligen Vaters Freund.
Denn noch selbigen Abends hatte ich zur Stadt
zu gehen, von wo ein Bürger mich auf seinem
Wagen mit nach Hamburg nehmen wollte.

Als nun der Tag hinabging, nahm ich Ab¬
schied. Unten im Zimmer saß Katharina an
einem Stickrahmen; ich mußte der Griechischen
Helena gedenken, wie ich sie jüngst in einem
Kupferwerk gesehen; so schön erschien mir der
junge Nacken, den das Mädchen eben über ihre
Arbeit neigte Aber sie war nicht allein; ihr
gegenüber saß Bas' Ursel und las laut aus
einem französischen Geschichtenbuche. Da ich
näher trat, hob sie die Nase nach mir zu: "Nun,

denn bei den übermüthigen Worten war wieder
jenes ſüße Augenſpiel geweſen. Aber dieß Mal
hatte es mir gerad' in's Herz geleuchtet.

Bald danach ließ mich Herr Gerhardus auf ſein
Zimmer rufen; er zeigte mir auf einer Karte
noch einmal, wie ich die weite Reiſe nach Amſter¬
dam zu machen habe, übergab mir Briefe an
ſeine Freunde dort und ſprach dann lange mit
mir, als meines lieben ſeligen Vaters Freund.
Denn noch ſelbigen Abends hatte ich zur Stadt
zu gehen, von wo ein Bürger mich auf ſeinem
Wagen mit nach Hamburg nehmen wollte.

Als nun der Tag hinabging, nahm ich Ab¬
ſchied. Unten im Zimmer ſaß Katharina an
einem Stickrahmen; ich mußte der Griechiſchen
Helena gedenken, wie ich ſie jüngſt in einem
Kupferwerk geſehen; ſo ſchön erſchien mir der
junge Nacken, den das Mädchen eben über ihre
Arbeit neigte Aber ſie war nicht allein; ihr
gegenüber ſaß Baſ' Urſel und las laut aus
einem franzöſiſchen Geſchichtenbuche. Da ich
näher trat, hob ſie die Naſe nach mir zu: „Nun,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0042" n="28"/>
denn bei den übermüthigen Worten war wieder<lb/>
jenes &#x017F;üße Augen&#x017F;piel gewe&#x017F;en. Aber dieß Mal<lb/>
hatte es mir gerad' in's Herz geleuchtet.</p><lb/>
      <p>Bald danach ließ mich Herr Gerhardus auf &#x017F;ein<lb/>
Zimmer rufen; er zeigte mir auf einer Karte<lb/>
noch einmal, wie ich die weite Rei&#x017F;e nach Am&#x017F;ter¬<lb/>
dam zu machen habe, übergab mir Briefe an<lb/>
&#x017F;eine Freunde dort und &#x017F;prach dann lange mit<lb/>
mir, als meines lieben &#x017F;eligen Vaters Freund.<lb/>
Denn noch &#x017F;elbigen Abends hatte ich zur Stadt<lb/>
zu gehen, von wo ein Bürger mich auf &#x017F;einem<lb/>
Wagen mit nach Hamburg nehmen wollte.</p><lb/>
      <p>Als nun der Tag hinabging, nahm ich Ab¬<lb/>
&#x017F;chied. Unten im Zimmer &#x017F;aß Katharina an<lb/>
einem Stickrahmen; ich mußte der Griechi&#x017F;chen<lb/>
Helena gedenken, wie ich &#x017F;ie jüng&#x017F;t in einem<lb/>
Kupferwerk ge&#x017F;ehen; &#x017F;o &#x017F;chön er&#x017F;chien mir der<lb/>
junge Nacken, den das Mädchen eben über ihre<lb/>
Arbeit neigte Aber &#x017F;ie war nicht allein; ihr<lb/>
gegenüber &#x017F;aß Ba&#x017F;' Ur&#x017F;el und las laut aus<lb/>
einem franzö&#x017F;i&#x017F;chen Ge&#x017F;chichtenbuche. Da ich<lb/>
näher trat, hob &#x017F;ie die Na&#x017F;e nach mir zu: &#x201E;Nun,<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0042] denn bei den übermüthigen Worten war wieder jenes ſüße Augenſpiel geweſen. Aber dieß Mal hatte es mir gerad' in's Herz geleuchtet. Bald danach ließ mich Herr Gerhardus auf ſein Zimmer rufen; er zeigte mir auf einer Karte noch einmal, wie ich die weite Reiſe nach Amſter¬ dam zu machen habe, übergab mir Briefe an ſeine Freunde dort und ſprach dann lange mit mir, als meines lieben ſeligen Vaters Freund. Denn noch ſelbigen Abends hatte ich zur Stadt zu gehen, von wo ein Bürger mich auf ſeinem Wagen mit nach Hamburg nehmen wollte. Als nun der Tag hinabging, nahm ich Ab¬ ſchied. Unten im Zimmer ſaß Katharina an einem Stickrahmen; ich mußte der Griechiſchen Helena gedenken, wie ich ſie jüngſt in einem Kupferwerk geſehen; ſo ſchön erſchien mir der junge Nacken, den das Mädchen eben über ihre Arbeit neigte Aber ſie war nicht allein; ihr gegenüber ſaß Baſ' Urſel und las laut aus einem franzöſiſchen Geſchichtenbuche. Da ich näher trat, hob ſie die Naſe nach mir zu: „Nun,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/42
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/42>, abgerufen am 20.04.2024.