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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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Knabe, Deine Seele, die gar den finstern Mann
zur Liebe zwang, die blickte nicht aus solchen
Augen; was hier herausschaut, ist alleine noch
der Tod. Nicht aus der Tiefe schreckbarer Ver¬
gangenheit ist es heraufgekommen; nichts Anderes
ist da, als Deines Vaters Schuld; sie hat uns
alle in die schwarze Fluth hinabgerissen."

Sorgsam legte ich dann wieder mein Kind in
seine Kissen und drückte ihm sanft die beiden
Augen zu. Dann tauchete ich meinen Pinsel in
ein dunkles Roth und schrieb unten in den
Schatten des Bildes die Buchstaben: C. P. A. S.
Das sollte heißen: Culpa Patris Aquis Submer¬
sus
, "Durch Vaters Schuld in der Fluth ver¬
sunken." -- Und mit dem Schalle dieser Worte
in meinem Ohre, die wie ein schneidend Schwert
durch meine Seele fuhren, malete ich das Bild
zu Ende.

Während meiner Arbeit hatte wiederum die
Stille im Hause fortgedauert, nur in der letzten
Stunde war abermalen durch die Thür, hinter
welcher ich eine Schlafkammer vermuthet hatte,

Knabe, Deine Seele, die gar den finſtern Mann
zur Liebe zwang, die blickte nicht aus ſolchen
Augen; was hier herausſchaut, iſt alleine noch
der Tod. Nicht aus der Tiefe ſchreckbarer Ver¬
gangenheit iſt es heraufgekommen; nichts Anderes
iſt da, als Deines Vaters Schuld; ſie hat uns
alle in die ſchwarze Fluth hinabgeriſſen.“

Sorgſam legte ich dann wieder mein Kind in
ſeine Kiſſen und drückte ihm ſanft die beiden
Augen zu. Dann tauchete ich meinen Pinſel in
ein dunkles Roth und ſchrieb unten in den
Schatten des Bildes die Buchſtaben: C. P. A. S.
Das ſollte heißen: Culpa Patris Aquis Submer¬
sus
, „Durch Vaters Schuld in der Fluth ver¬
ſunken.“ — Und mit dem Schalle dieſer Worte
in meinem Ohre, die wie ein ſchneidend Schwert
durch meine Seele fuhren, malete ich das Bild
zu Ende.

Während meiner Arbeit hatte wiederum die
Stille im Hauſe fortgedauert, nur in der letzten
Stunde war abermalen durch die Thür, hinter
welcher ich eine Schlafkammer vermuthet hatte,

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[154/0168] Knabe, Deine Seele, die gar den finſtern Mann zur Liebe zwang, die blickte nicht aus ſolchen Augen; was hier herausſchaut, iſt alleine noch der Tod. Nicht aus der Tiefe ſchreckbarer Ver¬ gangenheit iſt es heraufgekommen; nichts Anderes iſt da, als Deines Vaters Schuld; ſie hat uns alle in die ſchwarze Fluth hinabgeriſſen.“ Sorgſam legte ich dann wieder mein Kind in ſeine Kiſſen und drückte ihm ſanft die beiden Augen zu. Dann tauchete ich meinen Pinſel in ein dunkles Roth und ſchrieb unten in den Schatten des Bildes die Buchſtaben: C. P. A. S. Das ſollte heißen: Culpa Patris Aquis Submer¬ sus, „Durch Vaters Schuld in der Fluth ver¬ ſunken.“ — Und mit dem Schalle dieſer Worte in meinem Ohre, die wie ein ſchneidend Schwert durch meine Seele fuhren, malete ich das Bild zu Ende. Während meiner Arbeit hatte wiederum die Stille im Hauſe fortgedauert, nur in der letzten Stunde war abermalen durch die Thür, hinter welcher ich eine Schlafkammer vermuthet hatte,

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/168>, abgerufen am 28.04.2024.