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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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so entgegnete ich nur: "Ihr wisset, der von der
Risch und ich, wir haben uns schon als Jungen
oft einmal gezauset; da mußt's denn gestern
noch so einen Nachschmack geben."

"Ich weiß, ich weiß!" meinete der Alte;
"aber der Junker sitzt heut auf seines Vaters
Hof; Ihr solltet Euch hüten, Herr Johannes;
mit solchen Herren ist nicht sauber Kirschen essen."

Dem zu widersprechen hatte ich nicht Ursach',
sondern ließ mir Brod und Frühtrunk geben und
ging dann in den Stall, wo ich mir meinen
Degen holete, auch Stift und Skizzenbüchlein
aus dem Ranzen nahm.

Aber es war noch lange bis zum Mittag¬
läuten. Also bat ich Hans Ottsen, daß er den
Gaul mit seinem Jungen mög' zum Hofe bringen
lassen, und als er nur solches zugesaget, schritt
ich wieder hinaus zum Wald. Ich ging aber
bis zu der Stelle aus dem Heidenhügel, von wo
man die beiden Giebel des Herrenhauses über
die Gartenhecken ragen sieht, wie ich solches schon
für den Hintergrund zu Katharinens Bildniß

ſo entgegnete ich nur: „Ihr wiſſet, der von der
Riſch und ich, wir haben uns ſchon als Jungen
oft einmal gezauſet; da mußt's denn geſtern
noch ſo einen Nachſchmack geben.“

„Ich weiß, ich weiß!“ meinete der Alte;
„aber der Junker ſitzt heut auf ſeines Vaters
Hof; Ihr ſolltet Euch hüten, Herr Johannes;
mit ſolchen Herren iſt nicht ſauber Kirſchen eſſen.“

Dem zu widerſprechen hatte ich nicht Urſach',
ſondern ließ mir Brod und Frühtrunk geben und
ging dann in den Stall, wo ich mir meinen
Degen holete, auch Stift und Skizzenbüchlein
aus dem Ranzen nahm.

Aber es war noch lange bis zum Mittag¬
läuten. Alſo bat ich Hans Ottſen, daß er den
Gaul mit ſeinem Jungen mög' zum Hofe bringen
laſſen, und als er nur ſolches zugeſaget, ſchritt
ich wieder hinaus zum Wald. Ich ging aber
bis zu der Stelle aus dem Heidenhügel, von wo
man die beiden Giebel des Herrenhauſes über
die Gartenhecken ragen ſieht, wie ich ſolches ſchon
für den Hintergrund zu Katharinens Bildniß

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[90/0104] ſo entgegnete ich nur: „Ihr wiſſet, der von der Riſch und ich, wir haben uns ſchon als Jungen oft einmal gezauſet; da mußt's denn geſtern noch ſo einen Nachſchmack geben.“ „Ich weiß, ich weiß!“ meinete der Alte; „aber der Junker ſitzt heut auf ſeines Vaters Hof; Ihr ſolltet Euch hüten, Herr Johannes; mit ſolchen Herren iſt nicht ſauber Kirſchen eſſen.“ Dem zu widerſprechen hatte ich nicht Urſach', ſondern ließ mir Brod und Frühtrunk geben und ging dann in den Stall, wo ich mir meinen Degen holete, auch Stift und Skizzenbüchlein aus dem Ranzen nahm. Aber es war noch lange bis zum Mittag¬ läuten. Alſo bat ich Hans Ottſen, daß er den Gaul mit ſeinem Jungen mög' zum Hofe bringen laſſen, und als er nur ſolches zugeſaget, ſchritt ich wieder hinaus zum Wald. Ich ging aber bis zu der Stelle aus dem Heidenhügel, von wo man die beiden Giebel des Herrenhauſes über die Gartenhecken ragen ſieht, wie ich ſolches ſchon für den Hintergrund zu Katharinens Bildniß

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/104>, abgerufen am 02.05.2024.