zu eröffnen, und Jeder sieht sich gezwungen, diesem Gebrauch zu folgen, um wenigstens kei- nen Vortheil wider sich zu haben.
Mädchen, welche aus der Pension in das väterliche Haus zurückkehren, vertauschen ihr schlicht herunterhängendes Haar mit einem ele- gantern Kopfputz, ihre einfache Kleidung mit den Nippes des Luxus und der herrschenden Mode, ihre bisherige Einsamkeit mit den Zir- keln, und die trockne Beschäftigung Bücher zu lesen mit der angenehmern sich zu putzen und den Thee für die Gesellschaft zu besorgen. Sogleich sammelt sich ein Kreis von Anbetern um sie her, wenn sie schön oder reich sind. Alle Künste der Verführung und der Stutzer- welt werden aufgeboten, ein junges unerfahre- nes Herz zu belagern; aber gewöhnlich schei- tert der Eroberungsplan, wenn Rang oder Geld nicht die wirksamsten Geschütze sind. Kein Vorwurf den man der jungen Mädchen- welt machen könnte, wäre ungerechter, als wenn man sie der Neigung zu verliebten Abentheuern beschuldigen wollte. Keine Spur jener Empfindsamkeit und Treuherzigkeit, mit welcher sich die deutschen Emilien und Maria-
Zweiter Theil. G g
zu eroͤffnen, und Jeder ſieht ſich gezwungen, dieſem Gebrauch zu folgen, um wenigſtens kei- nen Vortheil wider ſich zu haben.
Maͤdchen, welche aus der Penſion in das vaͤterliche Haus zuruͤckkehren, vertauſchen ihr ſchlicht herunterhaͤngendes Haar mit einem ele- gantern Kopfputz, ihre einfache Kleidung mit den Nippes des Luxus und der herrſchenden Mode, ihre bisherige Einſamkeit mit den Zir- keln, und die trockne Beſchaͤftigung Buͤcher zu leſen mit der angenehmern ſich zu putzen und den Thee fuͤr die Geſellſchaft zu beſorgen. Sogleich ſammelt ſich ein Kreis von Anbetern um ſie her, wenn ſie ſchoͤn oder reich ſind. Alle Kuͤnſte der Verfuͤhrung und der Stutzer- welt werden aufgeboten, ein junges unerfahre- nes Herz zu belagern; aber gewoͤhnlich ſchei- tert der Eroberungsplan, wenn Rang oder Geld nicht die wirkſamſten Geſchuͤtze ſind. Kein Vorwurf den man der jungen Maͤdchen- welt machen koͤnnte, waͤre ungerechter, als wenn man ſie der Neigung zu verliebten Abentheuern beſchuldigen wollte. Keine Spur jener Empfindſamkeit und Treuherzigkeit, mit welcher ſich die deutſchen Emilien und Maria-
Zweiter Theil. G g
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zu eroͤffnen, und Jeder ſieht ſich gezwungen,
dieſem Gebrauch zu folgen, um wenigſtens kei-
nen Vortheil wider ſich zu haben.
Maͤdchen, welche aus der Penſion in das
vaͤterliche Haus zuruͤckkehren, vertauſchen ihr
ſchlicht herunterhaͤngendes Haar mit einem ele-
gantern Kopfputz, ihre einfache Kleidung mit
den Nippes des Luxus und der herrſchenden
Mode, ihre bisherige Einſamkeit mit den Zir-
keln, und die trockne Beſchaͤftigung Buͤcher
zu leſen mit der angenehmern ſich zu putzen
und den Thee fuͤr die Geſellſchaft zu beſorgen.
Sogleich ſammelt ſich ein Kreis von Anbetern
um ſie her, wenn ſie ſchoͤn oder reich ſind.
Alle Kuͤnſte der Verfuͤhrung und der Stutzer-
welt werden aufgeboten, ein junges unerfahre-
nes Herz zu belagern; aber gewoͤhnlich ſchei-
tert der Eroberungsplan, wenn Rang oder
Geld nicht die wirkſamſten Geſchuͤtze ſind.
Kein Vorwurf den man der jungen Maͤdchen-
welt machen koͤnnte, waͤre ungerechter, als
wenn man ſie der Neigung zu verliebten
Abentheuern beſchuldigen wollte. Keine Spur
jener Empfindſamkeit und Treuherzigkeit, mit
welcher ſich die deutſchen Emilien und Maria-
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/483>, abgerufen am 23.11.2024.
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