periode überstanden ist, giebt man die Kinder in den Pensionen ab, wo man große Sum- men für sie bezahlt und damit alles gethan zu haben glaubt. Die Zwischenzeiten in welchen sie das väterliche Haus besuchen, werden ih- nen durch Zerstreuungen, Geschenke, Ergötzlich- keiten und durch die Aeußerungen einer miß- verstandenen Zärtlichkeit so werth gemacht, daß sie nur mit Widerwillen zu ihren Erzie- hern zurückkehren. Man wirft den hiesigen Pensionen vor, daß sie aus den jungen Mäd- chen weniger gute Hauswirthinnen als Damen nach dem Ton zu bilden suchen. In der That ist dieser Vorwurf gerecht, aber wer kann es den Unternehmern solcher Anstalten verdenken, daß sie sich nicht mit einer Waare versehen, die nirgend Käufer finden würde? Jenen Zweck, den Verstand und das Aeußere zu kul- tiviren, erreicht diese Art von Erziehung ge- wöhnlich sehr gut, da Beyspiel und Nacheife- rung hier vorzüglich mitwirken.
Sobald die Töchter aus den Pensionen und die Söhne aus den Schulen und öffentli- chen Erziehungsanstalten heraustreten, finden sie sich plötzlich auf dem Schauplatz der gro-
periode uͤberſtanden iſt, giebt man die Kinder in den Penſionen ab, wo man große Sum- men fuͤr ſie bezahlt und damit alles gethan zu haben glaubt. Die Zwiſchenzeiten in welchen ſie das vaͤterliche Haus beſuchen, werden ih- nen durch Zerſtreuungen, Geſchenke, Ergoͤtzlich- keiten und durch die Aeußerungen einer miß- verſtandenen Zaͤrtlichkeit ſo werth gemacht, daß ſie nur mit Widerwillen zu ihren Erzie- hern zuruͤckkehren. Man wirft den hieſigen Penſionen vor, daß ſie aus den jungen Maͤd- chen weniger gute Hauswirthinnen als Damen nach dem Ton zu bilden ſuchen. In der That iſt dieſer Vorwurf gerecht, aber wer kann es den Unternehmern ſolcher Anſtalten verdenken, daß ſie ſich nicht mit einer Waare verſehen, die nirgend Kaͤufer finden wuͤrde? Jenen Zweck, den Verſtand und das Aeußere zu kul- tiviren, erreicht dieſe Art von Erziehung ge- woͤhnlich ſehr gut, da Beyſpiel und Nacheife- rung hier vorzuͤglich mitwirken.
Sobald die Toͤchter aus den Penſionen und die Soͤhne aus den Schulen und oͤffentli- chen Erziehungsanſtalten heraustreten, finden ſie ſich ploͤtzlich auf dem Schauplatz der gro-
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periode uͤberſtanden iſt, giebt man die Kinder
in den Penſionen ab, wo man große Sum-
men fuͤr ſie bezahlt und damit alles gethan zu
haben glaubt. Die Zwiſchenzeiten in welchen
ſie das vaͤterliche Haus beſuchen, werden ih-
nen durch Zerſtreuungen, Geſchenke, Ergoͤtzlich-
keiten und durch die Aeußerungen einer miß-
verſtandenen Zaͤrtlichkeit ſo werth gemacht,
daß ſie nur mit Widerwillen zu ihren Erzie-
hern zuruͤckkehren. Man wirft den hieſigen
Penſionen vor, daß ſie aus den jungen Maͤd-
chen weniger gute Hauswirthinnen als Damen
nach dem Ton zu bilden ſuchen. In der That
iſt dieſer Vorwurf gerecht, aber wer kann es
den Unternehmern ſolcher Anſtalten verdenken,
daß ſie ſich nicht mit einer Waare verſehen,
die nirgend Kaͤufer finden wuͤrde? Jenen
Zweck, den Verſtand und das Aeußere zu kul-
tiviren, erreicht dieſe Art von Erziehung ge-
woͤhnlich ſehr gut, da Beyſpiel und Nacheife-
rung hier vorzuͤglich mitwirken.
Sobald die Toͤchter aus den Penſionen
und die Soͤhne aus den Schulen und oͤffentli-
chen Erziehungsanſtalten heraustreten, finden
ſie ſich ploͤtzlich auf dem Schauplatz der gro-
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/481>, abgerufen am 23.11.2024.
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