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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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ein Jahrhundert früher als in Italien wieder
auflebte -- alle diese und unzählige andere
Zeugnisse einer weitfortgerückten Kultur lassen
keinen Zweifel übrig, daß die Russen des da-
maligen Zeitalters schon eine Stuffe der Ver-
edlung erklimmt hatten, zu welcher die übrigen
Völker Europens erst später gelangten. Unter
der Herrschaft der Tataren gieng diese schöne
Morgenröthe eines schönern Tages verloren,
und während jener traurigen Epoke gewannen
die nachgebliebenen Nationen unsers Welttheils
einen Vorsprung, den die Russen bis auf die-
sen Augenblick, trotz der größten Anstrengung
noch nicht völlig haben einholen können. Von
dem Gefühl ihres Drucks zu einem unaufhör-
lichen Widerstande angefeuert, verschmolz der
sanfte Hang zu den Künsten des Friedens, der
sie bisher so rühmlich ausgezeichnet hatte, in
jene kriegerische Wildheit, die ihren Namen in
den letztvergangenen Jahrhunderten so furcht-
bar machte; bis es endlich den vereinigten Be-
mühungen zweyer der größten Fürsten gelang,
die eingeschlafene Liebe zu den Wissenschaften
und Künsten wieder zu erwecken, und den
Ruhm eines tapfern und muthigen Volks mit

ein Jahrhundert fruͤher als in Italien wieder
auflebte — alle dieſe und unzaͤhlige andere
Zeugniſſe einer weitfortgeruͤckten Kultur laſſen
keinen Zweifel uͤbrig, daß die Ruſſen des da-
maligen Zeitalters ſchon eine Stuffe der Ver-
edlung erklimmt hatten, zu welcher die uͤbrigen
Voͤlker Europens erſt ſpaͤter gelangten. Unter
der Herrſchaft der Tataren gieng dieſe ſchoͤne
Morgenroͤthe eines ſchoͤnern Tages verloren,
und waͤhrend jener traurigen Epoke gewannen
die nachgebliebenen Nationen unſers Welttheils
einen Vorſprung, den die Ruſſen bis auf die-
ſen Augenblick, trotz der groͤßten Anſtrengung
noch nicht voͤllig haben einholen koͤnnen. Von
dem Gefuͤhl ihres Drucks zu einem unaufhoͤr-
lichen Widerſtande angefeuert, verſchmolz der
ſanfte Hang zu den Kuͤnſten des Friedens, der
ſie bisher ſo ruͤhmlich ausgezeichnet hatte, in
jene kriegeriſche Wildheit, die ihren Namen in
den letztvergangenen Jahrhunderten ſo furcht-
bar machte; bis es endlich den vereinigten Be-
muͤhungen zweyer der groͤßten Fuͤrſten gelang,
die eingeſchlafene Liebe zu den Wiſſenſchaften
und Kuͤnſten wieder zu erwecken, und den
Ruhm eines tapfern und muthigen Volks mit

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[166/0182] ein Jahrhundert fruͤher als in Italien wieder auflebte — alle dieſe und unzaͤhlige andere Zeugniſſe einer weitfortgeruͤckten Kultur laſſen keinen Zweifel uͤbrig, daß die Ruſſen des da- maligen Zeitalters ſchon eine Stuffe der Ver- edlung erklimmt hatten, zu welcher die uͤbrigen Voͤlker Europens erſt ſpaͤter gelangten. Unter der Herrſchaft der Tataren gieng dieſe ſchoͤne Morgenroͤthe eines ſchoͤnern Tages verloren, und waͤhrend jener traurigen Epoke gewannen die nachgebliebenen Nationen unſers Welttheils einen Vorſprung, den die Ruſſen bis auf die- ſen Augenblick, trotz der groͤßten Anſtrengung noch nicht voͤllig haben einholen koͤnnen. Von dem Gefuͤhl ihres Drucks zu einem unaufhoͤr- lichen Widerſtande angefeuert, verſchmolz der ſanfte Hang zu den Kuͤnſten des Friedens, der ſie bisher ſo ruͤhmlich ausgezeichnet hatte, in jene kriegeriſche Wildheit, die ihren Namen in den letztvergangenen Jahrhunderten ſo furcht- bar machte; bis es endlich den vereinigten Be- muͤhungen zweyer der groͤßten Fuͤrſten gelang, die eingeſchlafene Liebe zu den Wiſſenſchaften und Kuͤnſten wieder zu erwecken, und den Ruhm eines tapfern und muthigen Volks mit

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/182>, abgerufen am 27.04.2024.