ein Jahrhundert früher als in Italien wieder auflebte -- alle diese und unzählige andere Zeugnisse einer weitfortgerückten Kultur lassen keinen Zweifel übrig, daß die Russen des da- maligen Zeitalters schon eine Stuffe der Ver- edlung erklimmt hatten, zu welcher die übrigen Völker Europens erst später gelangten. Unter der Herrschaft der Tataren gieng diese schöne Morgenröthe eines schönern Tages verloren, und während jener traurigen Epoke gewannen die nachgebliebenen Nationen unsers Welttheils einen Vorsprung, den die Russen bis auf die- sen Augenblick, trotz der größten Anstrengung noch nicht völlig haben einholen können. Von dem Gefühl ihres Drucks zu einem unaufhör- lichen Widerstande angefeuert, verschmolz der sanfte Hang zu den Künsten des Friedens, der sie bisher so rühmlich ausgezeichnet hatte, in jene kriegerische Wildheit, die ihren Namen in den letztvergangenen Jahrhunderten so furcht- bar machte; bis es endlich den vereinigten Be- mühungen zweyer der größten Fürsten gelang, die eingeschlafene Liebe zu den Wissenschaften und Künsten wieder zu erwecken, und den Ruhm eines tapfern und muthigen Volks mit
ein Jahrhundert fruͤher als in Italien wieder auflebte — alle dieſe und unzaͤhlige andere Zeugniſſe einer weitfortgeruͤckten Kultur laſſen keinen Zweifel uͤbrig, daß die Ruſſen des da- maligen Zeitalters ſchon eine Stuffe der Ver- edlung erklimmt hatten, zu welcher die uͤbrigen Voͤlker Europens erſt ſpaͤter gelangten. Unter der Herrſchaft der Tataren gieng dieſe ſchoͤne Morgenroͤthe eines ſchoͤnern Tages verloren, und waͤhrend jener traurigen Epoke gewannen die nachgebliebenen Nationen unſers Welttheils einen Vorſprung, den die Ruſſen bis auf die- ſen Augenblick, trotz der groͤßten Anſtrengung noch nicht voͤllig haben einholen koͤnnen. Von dem Gefuͤhl ihres Drucks zu einem unaufhoͤr- lichen Widerſtande angefeuert, verſchmolz der ſanfte Hang zu den Kuͤnſten des Friedens, der ſie bisher ſo ruͤhmlich ausgezeichnet hatte, in jene kriegeriſche Wildheit, die ihren Namen in den letztvergangenen Jahrhunderten ſo furcht- bar machte; bis es endlich den vereinigten Be- muͤhungen zweyer der groͤßten Fuͤrſten gelang, die eingeſchlafene Liebe zu den Wiſſenſchaften und Kuͤnſten wieder zu erwecken, und den Ruhm eines tapfern und muthigen Volks mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0182"n="166"/>
ein Jahrhundert fruͤher als in Italien wieder<lb/>
auflebte — alle dieſe und unzaͤhlige andere<lb/>
Zeugniſſe einer weitfortgeruͤckten Kultur laſſen<lb/>
keinen Zweifel uͤbrig, daß die Ruſſen des da-<lb/>
maligen Zeitalters ſchon eine Stuffe der Ver-<lb/>
edlung erklimmt hatten, zu welcher die uͤbrigen<lb/>
Voͤlker Europens erſt ſpaͤter gelangten. Unter<lb/>
der Herrſchaft der Tataren gieng dieſe ſchoͤne<lb/>
Morgenroͤthe eines ſchoͤnern Tages verloren,<lb/>
und waͤhrend jener traurigen Epoke gewannen<lb/>
die nachgebliebenen Nationen unſers Welttheils<lb/>
einen Vorſprung, den die Ruſſen bis auf die-<lb/>ſen Augenblick, trotz der groͤßten Anſtrengung<lb/>
noch nicht voͤllig haben einholen koͤnnen. Von<lb/>
dem Gefuͤhl ihres Drucks zu einem unaufhoͤr-<lb/>
lichen Widerſtande angefeuert, verſchmolz der<lb/>ſanfte Hang zu den Kuͤnſten des Friedens, der<lb/>ſie bisher ſo ruͤhmlich ausgezeichnet hatte, in<lb/>
jene kriegeriſche Wildheit, die ihren Namen in<lb/>
den letztvergangenen Jahrhunderten ſo furcht-<lb/>
bar machte; bis es endlich den vereinigten Be-<lb/>
muͤhungen zweyer der groͤßten Fuͤrſten gelang,<lb/>
die eingeſchlafene Liebe zu den Wiſſenſchaften<lb/>
und Kuͤnſten wieder zu erwecken, und den<lb/>
Ruhm eines tapfern und muthigen Volks mit<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[166/0182]
ein Jahrhundert fruͤher als in Italien wieder
auflebte — alle dieſe und unzaͤhlige andere
Zeugniſſe einer weitfortgeruͤckten Kultur laſſen
keinen Zweifel uͤbrig, daß die Ruſſen des da-
maligen Zeitalters ſchon eine Stuffe der Ver-
edlung erklimmt hatten, zu welcher die uͤbrigen
Voͤlker Europens erſt ſpaͤter gelangten. Unter
der Herrſchaft der Tataren gieng dieſe ſchoͤne
Morgenroͤthe eines ſchoͤnern Tages verloren,
und waͤhrend jener traurigen Epoke gewannen
die nachgebliebenen Nationen unſers Welttheils
einen Vorſprung, den die Ruſſen bis auf die-
ſen Augenblick, trotz der groͤßten Anſtrengung
noch nicht voͤllig haben einholen koͤnnen. Von
dem Gefuͤhl ihres Drucks zu einem unaufhoͤr-
lichen Widerſtande angefeuert, verſchmolz der
ſanfte Hang zu den Kuͤnſten des Friedens, der
ſie bisher ſo ruͤhmlich ausgezeichnet hatte, in
jene kriegeriſche Wildheit, die ihren Namen in
den letztvergangenen Jahrhunderten ſo furcht-
bar machte; bis es endlich den vereinigten Be-
muͤhungen zweyer der groͤßten Fuͤrſten gelang,
die eingeſchlafene Liebe zu den Wiſſenſchaften
und Kuͤnſten wieder zu erwecken, und den
Ruhm eines tapfern und muthigen Volks mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/182>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.