Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

zweige bezeichnet. Diese sonderbaren Straßen,
die nur unter diesem Himmelsstrich so gefahrlos
werden können, daß man bey ihrer Benutzung
auch sogar den Gedanken an den schiffbaren Fluß
verliert über welchen sie hinlaufen, werden dem
Publikum wegen der Verkürzung der Wege sehr
nützlich. Durch das Fahren und Gehen erhal-
ten sie eine solche Kondensität, daß sie auch dann
noch ohne Gefahr sind wenn überall das Eis
schon locker wird. Aber nicht bloß in der Stadt
oder auf kleine Strecken bereitet man solche Win-
terstraßen. Der gewöhnliche Fahrweg von Pe-
tersburg nach Kronstadt geht aus der Newa in
gerader Linie über den Meerbusen hin; er wird
ebenfalls mit Gesträuchen bezeichnet, und auf
demselben sind mehrere Wachthäuser und eine
Schenke befindlich. -- Wenn im Frühjahr die
Sonne ihre Wirkungen äußert, sammelt sich
Schneewasser auf dem Eise. So lange dieses
sichtbar bleibt, ist keine Gefahr; aber wenn das
Wasser verschwindet und die Oberfläche grau
wird, ist der Eisbruch nahe, der gewöhnlich bey
einem westlichen Winde erfolgt. Die Wege hal-
ten am längsten; oft sieht man noch Leute hinü-
ber gehn, wenn einige Schritte davon Schalup-

zweige bezeichnet. Dieſe ſonderbaren Straßen,
die nur unter dieſem Himmelsſtrich ſo gefahrlos
werden koͤnnen, daß man bey ihrer Benutzung
auch ſogar den Gedanken an den ſchiffbaren Fluß
verliert uͤber welchen ſie hinlaufen, werden dem
Publikum wegen der Verkuͤrzung der Wege ſehr
nuͤtzlich. Durch das Fahren und Gehen erhal-
ten ſie eine ſolche Kondenſitaͤt, daß ſie auch dann
noch ohne Gefahr ſind wenn uͤberall das Eis
ſchon locker wird. Aber nicht bloß in der Stadt
oder auf kleine Strecken bereitet man ſolche Win-
terſtraßen. Der gewoͤhnliche Fahrweg von Pe-
tersburg nach Kronſtadt geht aus der Newa in
gerader Linie uͤber den Meerbuſen hin; er wird
ebenfalls mit Geſtraͤuchen bezeichnet, und auf
demſelben ſind mehrere Wachthaͤuſer und eine
Schenke befindlich. — Wenn im Fruͤhjahr die
Sonne ihre Wirkungen aͤußert, ſammelt ſich
Schneewaſſer auf dem Eiſe. So lange dieſes
ſichtbar bleibt, iſt keine Gefahr; aber wenn das
Waſſer verſchwindet und die Oberflaͤche grau
wird, iſt der Eisbruch nahe, der gewoͤhnlich bey
einem weſtlichen Winde erfolgt. Die Wege hal-
ten am laͤngſten; oft ſieht man noch Leute hinuͤ-
ber gehn, wenn einige Schritte davon Schalup-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0060" n="26"/>
zweige bezeichnet. Die&#x017F;e &#x017F;onderbaren Straßen,<lb/>
die nur unter die&#x017F;em Himmels&#x017F;trich &#x017F;o gefahrlos<lb/>
werden ko&#x0364;nnen, daß man bey ihrer Benutzung<lb/>
auch &#x017F;ogar den Gedanken an den &#x017F;chiffbaren Fluß<lb/>
verliert u&#x0364;ber welchen &#x017F;ie hinlaufen, werden dem<lb/>
Publikum wegen der Verku&#x0364;rzung der Wege &#x017F;ehr<lb/>
nu&#x0364;tzlich. Durch das Fahren und Gehen erhal-<lb/>
ten &#x017F;ie eine &#x017F;olche Konden&#x017F;ita&#x0364;t, daß &#x017F;ie auch dann<lb/>
noch ohne Gefahr &#x017F;ind wenn u&#x0364;berall das Eis<lb/>
&#x017F;chon locker wird. Aber nicht bloß in der Stadt<lb/>
oder auf kleine Strecken bereitet man &#x017F;olche Win-<lb/>
ter&#x017F;traßen. Der gewo&#x0364;hnliche Fahrweg von Pe-<lb/>
tersburg nach Kron&#x017F;tadt geht aus der Newa in<lb/>
gerader Linie u&#x0364;ber den Meerbu&#x017F;en hin; er wird<lb/>
ebenfalls mit Ge&#x017F;tra&#x0364;uchen bezeichnet, und auf<lb/>
dem&#x017F;elben &#x017F;ind mehrere Wachtha&#x0364;u&#x017F;er und eine<lb/>
Schenke befindlich. &#x2014; Wenn im Fru&#x0364;hjahr die<lb/>
Sonne ihre Wirkungen a&#x0364;ußert, &#x017F;ammelt &#x017F;ich<lb/>
Schneewa&#x017F;&#x017F;er auf dem Ei&#x017F;e. So lange die&#x017F;es<lb/>
&#x017F;ichtbar bleibt, i&#x017F;t keine Gefahr; aber wenn das<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er ver&#x017F;chwindet und die Oberfla&#x0364;che grau<lb/>
wird, i&#x017F;t der Eisbruch nahe, der gewo&#x0364;hnlich bey<lb/>
einem we&#x017F;tlichen Winde erfolgt. Die Wege hal-<lb/>
ten am la&#x0364;ng&#x017F;ten; oft &#x017F;ieht man noch Leute hinu&#x0364;-<lb/>
ber gehn, wenn einige Schritte davon Schalup-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0060] zweige bezeichnet. Dieſe ſonderbaren Straßen, die nur unter dieſem Himmelsſtrich ſo gefahrlos werden koͤnnen, daß man bey ihrer Benutzung auch ſogar den Gedanken an den ſchiffbaren Fluß verliert uͤber welchen ſie hinlaufen, werden dem Publikum wegen der Verkuͤrzung der Wege ſehr nuͤtzlich. Durch das Fahren und Gehen erhal- ten ſie eine ſolche Kondenſitaͤt, daß ſie auch dann noch ohne Gefahr ſind wenn uͤberall das Eis ſchon locker wird. Aber nicht bloß in der Stadt oder auf kleine Strecken bereitet man ſolche Win- terſtraßen. Der gewoͤhnliche Fahrweg von Pe- tersburg nach Kronſtadt geht aus der Newa in gerader Linie uͤber den Meerbuſen hin; er wird ebenfalls mit Geſtraͤuchen bezeichnet, und auf demſelben ſind mehrere Wachthaͤuſer und eine Schenke befindlich. — Wenn im Fruͤhjahr die Sonne ihre Wirkungen aͤußert, ſammelt ſich Schneewaſſer auf dem Eiſe. So lange dieſes ſichtbar bleibt, iſt keine Gefahr; aber wenn das Waſſer verſchwindet und die Oberflaͤche grau wird, iſt der Eisbruch nahe, der gewoͤhnlich bey einem weſtlichen Winde erfolgt. Die Wege hal- ten am laͤngſten; oft ſieht man noch Leute hinuͤ- ber gehn, wenn einige Schritte davon Schalup-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/60
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/60>, abgerufen am 27.11.2024.