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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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Wein, schlag mit der Kanne auf den Tisch, triff nur
mich und meine Gesellen nicht, trink zu wer Dir lieb
ist, nur mir und meinen Gesellen nicht, aber es gilt Dir
und Deiner Mutter Sohn!

Nachdem der Schenkgesell den großen Gruß gesprochen,
ersuchte er die Gesellen, im Fall das Eingeschenk ihm zu stark
sein möchte, ihm zu helfen; worauf er in drei Zügen den Pokal
oder die Schenkkanne austrank. Darauf wurde sie wieder gefüllt
und er trank nun auf das Wohl des Altgesellen und der ganzen
Brüderschaft, wobei man ihm Glück wünschte. Er dankte ihnen,
bat aber noch nach Handwerksgebrauch mit vielen Ceremonieen
um das hochlöbliche Aufgeschenk; ehe ihm dasselbe bewil-
ligt wurde, mußte er erst die drei verborgenen Artikel beantwor-
ten, nämlich:

1) In welcher Stadt ihm zuletzt Handwerksgewohnheit wi-
derfahren sei?
2) Ob er mit dieser Handwerksgewohnheit zufrieden sei?
3) Ob er weiter Handwerksgewohnheit verlange. *)

Auf dem ersten Artikel antwortete er: "von Dir und Deinen
Gesellen."

Die Antwort auf den zweiten und dritten war: Ja, wenn
mir das hochlöbliche Aufgeschenk gereicht wird, dann will ich
Handwerksgewohnheit fördern und nicht schwächen, sie ist schon
schwach genug.

Der Altgesell fragte nun die Gesellschaft, ob sie mit dieser
Erklärung zufrieden sei und dem Schenkgesellen das Aufgeschenk
bewillige, was diese dann zugab. Darauf wurde die Schenk-
kanne wieder gefüllt und der Schenkgesell und Altgesell tranken
sich gegenseitig zu. Zwischen allen diesen Fragen und Antwor-
ten wurde immer der große oder kleine Gruß gesprochen. Nach
beendigtem vielen Reden und Trinken, fragte der Altgesell den
Schenkgesellen, ob er bei diesem Geschenk etwas gesehen habe,

*) So unerheblich diese drei Fragen scheinen, so deuten sie doch auf das
Schelten des Handwerks und seine Wirkung.
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Wein, ſchlag mit der Kanne auf den Tiſch, triff nur
mich und meine Geſellen nicht, trink zu wer Dir lieb
iſt, nur mir und meinen Geſellen nicht, aber es gilt Dir
und Deiner Mutter Sohn!

Nachdem der Schenkgeſell den großen Gruß geſprochen,
erſuchte er die Geſellen, im Fall das Eingeſchenk ihm zu ſtark
ſein möchte, ihm zu helfen; worauf er in drei Zügen den Pokal
oder die Schenkkanne austrank. Darauf wurde ſie wieder gefüllt
und er trank nun auf das Wohl des Altgeſellen und der ganzen
Brüderſchaft, wobei man ihm Glück wünſchte. Er dankte ihnen,
bat aber noch nach Handwerksgebrauch mit vielen Ceremonieen
um das hochlöbliche Aufgeſchenk; ehe ihm daſſelbe bewil-
ligt wurde, mußte er erſt die drei verborgenen Artikel beantwor-
ten, nämlich:

1) In welcher Stadt ihm zuletzt Handwerksgewohnheit wi-
derfahren ſei?
2) Ob er mit dieſer Handwerksgewohnheit zufrieden ſei?
3) Ob er weiter Handwerksgewohnheit verlange. *)

Auf dem erſten Artikel antwortete er: »von Dir und Deinen
Geſellen.«

Die Antwort auf den zweiten und dritten war: Ja, wenn
mir das hochlöbliche Aufgeſchenk gereicht wird, dann will ich
Handwerksgewohnheit fördern und nicht ſchwächen, ſie iſt ſchon
ſchwach genug.

Der Altgeſell fragte nun die Geſellſchaft, ob ſie mit dieſer
Erklärung zufrieden ſei und dem Schenkgeſellen das Aufgeſchenk
bewillige, was dieſe dann zugab. Darauf wurde die Schenk-
kanne wieder gefüllt und der Schenkgeſell und Altgeſell tranken
ſich gegenſeitig zu. Zwiſchen allen dieſen Fragen und Antwor-
ten wurde immer der große oder kleine Gruß geſprochen. Nach
beendigtem vielen Reden und Trinken, fragte der Altgeſell den
Schenkgeſellen, ob er bei dieſem Geſchenk etwas geſehen habe,

*) So unerheblich dieſe drei Fragen ſcheinen, ſo deuten ſie doch auf das
Schelten des Handwerks und ſeine Wirkung.
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[97/0107] Wein, ſchlag mit der Kanne auf den Tiſch, triff nur mich und meine Geſellen nicht, trink zu wer Dir lieb iſt, nur mir und meinen Geſellen nicht, aber es gilt Dir und Deiner Mutter Sohn! Nachdem der Schenkgeſell den großen Gruß geſprochen, erſuchte er die Geſellen, im Fall das Eingeſchenk ihm zu ſtark ſein möchte, ihm zu helfen; worauf er in drei Zügen den Pokal oder die Schenkkanne austrank. Darauf wurde ſie wieder gefüllt und er trank nun auf das Wohl des Altgeſellen und der ganzen Brüderſchaft, wobei man ihm Glück wünſchte. Er dankte ihnen, bat aber noch nach Handwerksgebrauch mit vielen Ceremonieen um das hochlöbliche Aufgeſchenk; ehe ihm daſſelbe bewil- ligt wurde, mußte er erſt die drei verborgenen Artikel beantwor- ten, nämlich: 1) In welcher Stadt ihm zuletzt Handwerksgewohnheit wi- derfahren ſei? 2) Ob er mit dieſer Handwerksgewohnheit zufrieden ſei? 3) Ob er weiter Handwerksgewohnheit verlange. *) Auf dem erſten Artikel antwortete er: »von Dir und Deinen Geſellen.« Die Antwort auf den zweiten und dritten war: Ja, wenn mir das hochlöbliche Aufgeſchenk gereicht wird, dann will ich Handwerksgewohnheit fördern und nicht ſchwächen, ſie iſt ſchon ſchwach genug. Der Altgeſell fragte nun die Geſellſchaft, ob ſie mit dieſer Erklärung zufrieden ſei und dem Schenkgeſellen das Aufgeſchenk bewillige, was dieſe dann zugab. Darauf wurde die Schenk- kanne wieder gefüllt und der Schenkgeſell und Altgeſell tranken ſich gegenſeitig zu. Zwiſchen allen dieſen Fragen und Antwor- ten wurde immer der große oder kleine Gruß geſprochen. Nach beendigtem vielen Reden und Trinken, fragte der Altgeſell den Schenkgeſellen, ob er bei dieſem Geſchenk etwas geſehen habe, *) So unerheblich dieſe drei Fragen ſcheinen, ſo deuten ſie doch auf das Schelten des Handwerks und ſeine Wirkung. 7

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/107>, abgerufen am 23.11.2024.