Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

beiderlei Jenseitigkeit, in der innerlichen und äußerlichen, zu¬
gleich: denn der "Geist Gottes" ist nach christlicher Anschau¬
ung auch "Unser Geist" und "wohnet in Uns". *)Er wohnt
im Himmel und wohnt in Uns; Wir armen Dinger sind
eben nur seine "Wohnung", und wenn Feuerbach noch die
himmlische Wohnung desselben zerstört, und ihn nöthigt, mit
Sack und Pack zu Uns zu ziehen, so werden Wir, sein irdisches
Logis, sehr überfüllt werden.

Doch nach dieser Ausschweifung, die Wir Uns, gedächten
Wir überhaupt nach dem Schnürchen zu gehen, auf spätere
Blätter hätten versparen müssen, um eine Wiederholung zu
vermeiden, kehren Wir zur ersten Schöpfung des Geistes, dem
Geiste selbst, zurück.

Der Geist ist etwas anderes als Ich. Dieses Andere
aber, was ist's?

§ 2. Die Besessenen.

Hast Du schon einen Geist gesehen? "Nein, Ich nicht, aber
Meine Großmutter." Siehst Du, so geht Mir's auch: Ich
selbst habe keinen gesehen, aber Meiner Großmutter liefen sie
aller Wege zwischen die Beine, und aus Vertrauen zur Ehr¬
lichkeit Unserer Großmutter glauben Wir an die Existenz von
Geistern.

Aber hatten Wir denn keine Großväter, und zuckten die
nicht jederzeit die Achseln, so oft die Großmutter von ihren
Gespenstern erzählte? Ja, es waren das ungläubige Männer
und die Unserer guten Religion viel geschadet haben, diese Auf¬

*) Z. B. Römer 8, 9; 1 Corinther 3, 16; Johannes 20, 22 und un¬
zählige andere Stellen.

beiderlei Jenſeitigkeit, in der innerlichen und äußerlichen, zu¬
gleich: denn der „Geiſt Gottes“ iſt nach chriſtlicher Anſchau¬
ung auch „Unſer Geiſt“ und „wohnet in Uns“. *)Er wohnt
im Himmel und wohnt in Uns; Wir armen Dinger ſind
eben nur ſeine „Wohnung“, und wenn Feuerbach noch die
himmliſche Wohnung deſſelben zerſtört, und ihn nöthigt, mit
Sack und Pack zu Uns zu ziehen, ſo werden Wir, ſein irdiſches
Logis, ſehr überfüllt werden.

Doch nach dieſer Ausſchweifung, die Wir Uns, gedächten
Wir überhaupt nach dem Schnürchen zu gehen, auf ſpätere
Blätter hätten verſparen müſſen, um eine Wiederholung zu
vermeiden, kehren Wir zur erſten Schöpfung des Geiſtes, dem
Geiſte ſelbſt, zurück.

Der Geiſt iſt etwas anderes als Ich. Dieſes Andere
aber, was iſt's?

§ 2. Die Beſeſſenen.

Haſt Du ſchon einen Geiſt geſehen? „Nein, Ich nicht, aber
Meine Großmutter.“ Siehſt Du, ſo geht Mir's auch: Ich
ſelbſt habe keinen geſehen, aber Meiner Großmutter liefen ſie
aller Wege zwiſchen die Beine, und aus Vertrauen zur Ehr¬
lichkeit Unſerer Großmutter glauben Wir an die Exiſtenz von
Geiſtern.

Aber hatten Wir denn keine Großväter, und zuckten die
nicht jederzeit die Achſeln, ſo oft die Großmutter von ihren
Geſpenſtern erzählte? Ja, es waren das ungläubige Männer
und die Unſerer guten Religion viel geſchadet haben, dieſe Auf¬

*) Z. B. Römer 8, 9; 1 Corinther 3, 16; Johannes 20, 22 und un¬
zählige andere Stellen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0053" n="45"/>
beiderlei Jen&#x017F;eitigkeit, in der innerlichen und äußerlichen, zu¬<lb/>
gleich: denn der &#x201E;Gei&#x017F;t Gottes&#x201C; i&#x017F;t nach chri&#x017F;tlicher An&#x017F;chau¬<lb/>
ung auch &#x201E;Un&#x017F;er Gei&#x017F;t&#x201C; und &#x201E;wohnet in Uns&#x201C;. <note place="foot" n="*)"><lb/>
Z. B. Römer 8, 9; 1 Corinther 3, 16; Johannes 20, 22 und un¬<lb/>
zählige andere Stellen.</note>Er wohnt<lb/>
im Himmel und wohnt in Uns; Wir armen Dinger &#x017F;ind<lb/>
eben nur &#x017F;eine &#x201E;Wohnung&#x201C;, und wenn Feuerbach noch die<lb/>
himmli&#x017F;che Wohnung de&#x017F;&#x017F;elben zer&#x017F;tört, und ihn nöthigt, mit<lb/>
Sack und Pack zu Uns zu ziehen, &#x017F;o werden Wir, &#x017F;ein irdi&#x017F;ches<lb/>
Logis, &#x017F;ehr überfüllt werden.</p><lb/>
              <p>Doch nach die&#x017F;er Aus&#x017F;chweifung, die Wir Uns, gedächten<lb/>
Wir überhaupt nach dem Schnürchen zu gehen, auf &#x017F;pätere<lb/>
Blätter hätten ver&#x017F;paren mü&#x017F;&#x017F;en, um eine Wiederholung zu<lb/>
vermeiden, kehren Wir zur er&#x017F;ten Schöpfung des Gei&#x017F;tes, dem<lb/>
Gei&#x017F;te &#x017F;elb&#x017F;t, zurück.</p><lb/>
              <p>Der Gei&#x017F;t i&#x017F;t etwas anderes als Ich. Die&#x017F;es Andere<lb/>
aber, was i&#x017F;t's?</p><lb/>
            </div>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#b">§ 2</hi>. <hi rendition="#g">Die Be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;enen.</hi><lb/></head>
              <p>Ha&#x017F;t Du &#x017F;chon einen Gei&#x017F;t ge&#x017F;ehen? &#x201E;Nein, Ich nicht, aber<lb/>
Meine Großmutter.&#x201C; Sieh&#x017F;t Du, &#x017F;o geht Mir's auch: Ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t habe keinen ge&#x017F;ehen, aber Meiner Großmutter liefen &#x017F;ie<lb/>
aller Wege zwi&#x017F;chen die Beine, und aus Vertrauen zur Ehr¬<lb/>
lichkeit Un&#x017F;erer Großmutter glauben Wir an die Exi&#x017F;tenz von<lb/>
Gei&#x017F;tern.</p><lb/>
              <p>Aber hatten Wir denn keine Großväter, und zuckten die<lb/>
nicht jederzeit die Ach&#x017F;eln, &#x017F;o oft die Großmutter von ihren<lb/>
Ge&#x017F;pen&#x017F;tern erzählte? Ja, es waren das ungläubige Männer<lb/>
und die Un&#x017F;erer guten Religion viel ge&#x017F;chadet haben, die&#x017F;e Auf¬<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0053] beiderlei Jenſeitigkeit, in der innerlichen und äußerlichen, zu¬ gleich: denn der „Geiſt Gottes“ iſt nach chriſtlicher Anſchau¬ ung auch „Unſer Geiſt“ und „wohnet in Uns“. *)Er wohnt im Himmel und wohnt in Uns; Wir armen Dinger ſind eben nur ſeine „Wohnung“, und wenn Feuerbach noch die himmliſche Wohnung deſſelben zerſtört, und ihn nöthigt, mit Sack und Pack zu Uns zu ziehen, ſo werden Wir, ſein irdiſches Logis, ſehr überfüllt werden. Doch nach dieſer Ausſchweifung, die Wir Uns, gedächten Wir überhaupt nach dem Schnürchen zu gehen, auf ſpätere Blätter hätten verſparen müſſen, um eine Wiederholung zu vermeiden, kehren Wir zur erſten Schöpfung des Geiſtes, dem Geiſte ſelbſt, zurück. Der Geiſt iſt etwas anderes als Ich. Dieſes Andere aber, was iſt's? § 2. Die Beſeſſenen. Haſt Du ſchon einen Geiſt geſehen? „Nein, Ich nicht, aber Meine Großmutter.“ Siehſt Du, ſo geht Mir's auch: Ich ſelbſt habe keinen geſehen, aber Meiner Großmutter liefen ſie aller Wege zwiſchen die Beine, und aus Vertrauen zur Ehr¬ lichkeit Unſerer Großmutter glauben Wir an die Exiſtenz von Geiſtern. Aber hatten Wir denn keine Großväter, und zuckten die nicht jederzeit die Achſeln, ſo oft die Großmutter von ihren Geſpenſtern erzählte? Ja, es waren das ungläubige Männer und die Unſerer guten Religion viel geſchadet haben, dieſe Auf¬ *) Z. B. Römer 8, 9; 1 Corinther 3, 16; Johannes 20, 22 und un¬ zählige andere Stellen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/53
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/53>, abgerufen am 29.03.2024.