Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

deines Strebens nur deine und Aller Wohlfahrt ist: was
Du für die Lumpengesellschaft thust, das ist für die "menschliche
Gesellschaft" noch nichts gethan.

Das Arbeiten allein macht Dich nicht zum Menschen,
weil es etwas Formelles und sein Gegenstand zufällig ist, son¬
dern es kommt darauf an, wer Du, der Arbeitende, bist. Ar¬
beiten überhaupt kannst Du aus egoistischem (materiellem) An¬
triebe, bloß um Dir Nahrung u. dergl. zu verschaffen: es muß
eine die Menschheit fördernde, auf das Wohl der Menschheit
berechnete, der geschichtlichen, d. h. menschlichen Entwicklung
dienende, kurz eine humane Arbeit sein. Dazu gehört zweier¬
lei, einmal daß sie der Menschheit zu Gute komme, zum An¬
dern, daß sie von einem "Menschen" ausgehe. Das Erstere
allein kann bei jeder Arbeit der Fall sein, da auch die Arbeiten
der Natur, z. B. der Thiere, von der Menschheit zur Förde¬
rung der Wissenschaft u. s. f. benutzt werden; das Zweite er¬
fordert, daß der Arbeitende den menschlichen Zweck seiner Arbeit
wisse, und da er dieß Bewußtsein nur haben kann, wenn er
sich als Mensch weiß, so ist die entscheidende Bedingung
das -- Selbstbewußtsein.

Gewiß ist schon viel erreicht, wenn Du aufhörst ein
"Stückarbeiter" zu sein, aber Du übersiehst damit doch nur
das Ganze deiner Arbeit, und erwirbst ein Bewußtsein über
dieselbe, was von einem Selbstbewußtsein, einem Bewußtsein
über dein wahres "Selbst" oder "Wesen", den Menschen,
noch weit entfernt ist. Dem Arbeiter bleibt noch das Verlan¬
gen nach einem "höheren Bewußtsein", das er, weil die Arbeits¬
thätigkeit es nicht zu stillen vermag, in einer Feierstunde be¬
friedigt. Daher steht seiner Arbeit das Feiern zur Seite, und
er sieht sich gezwungen, in Einem Athem das Arbeiten und

deines Strebens nur deine und Aller Wohlfahrt iſt: was
Du für die Lumpengeſellſchaft thuſt, das iſt für die „menſchliche
Geſellſchaft“ noch nichts gethan.

Das Arbeiten allein macht Dich nicht zum Menſchen,
weil es etwas Formelles und ſein Gegenſtand zufällig iſt, ſon¬
dern es kommt darauf an, wer Du, der Arbeitende, biſt. Ar¬
beiten überhaupt kannſt Du aus egoiſtiſchem (materiellem) An¬
triebe, bloß um Dir Nahrung u. dergl. zu verſchaffen: es muß
eine die Menſchheit fördernde, auf das Wohl der Menſchheit
berechnete, der geſchichtlichen, d. h. menſchlichen Entwicklung
dienende, kurz eine humane Arbeit ſein. Dazu gehört zweier¬
lei, einmal daß ſie der Menſchheit zu Gute komme, zum An¬
dern, daß ſie von einem „Menſchen“ ausgehe. Das Erſtere
allein kann bei jeder Arbeit der Fall ſein, da auch die Arbeiten
der Natur, z. B. der Thiere, von der Menſchheit zur Förde¬
rung der Wiſſenſchaft u. ſ. f. benutzt werden; das Zweite er¬
fordert, daß der Arbeitende den menſchlichen Zweck ſeiner Arbeit
wiſſe, und da er dieß Bewußtſein nur haben kann, wenn er
ſich als Menſch weiß, ſo iſt die entſcheidende Bedingung
das — Selbſtbewußtſein.

Gewiß iſt ſchon viel erreicht, wenn Du aufhörſt ein
„Stückarbeiter“ zu ſein, aber Du überſiehſt damit doch nur
das Ganze deiner Arbeit, und erwirbſt ein Bewußtſein über
dieſelbe, was von einem Selbſtbewußtſein, einem Bewußtſein
über dein wahres „Selbſt“ oder „Weſen“, den Menſchen,
noch weit entfernt iſt. Dem Arbeiter bleibt noch das Verlan¬
gen nach einem „höheren Bewußtſein“, das er, weil die Arbeits¬
thätigkeit es nicht zu ſtillen vermag, in einer Feierſtunde be¬
friedigt. Daher ſteht ſeiner Arbeit das Feiern zur Seite, und
er ſieht ſich gezwungen, in Einem Athem das Arbeiten und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0180" n="172"/>
deines Strebens nur deine und Aller <hi rendition="#g">Wohlfahrt</hi> i&#x017F;t: was<lb/>
Du für die Lumpenge&#x017F;ell&#x017F;chaft thu&#x017F;t, das i&#x017F;t für die &#x201E;men&#x017F;chliche<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft&#x201C; noch nichts gethan.</p><lb/>
              <p>Das Arbeiten allein macht Dich nicht zum Men&#x017F;chen,<lb/>
weil es etwas Formelles und &#x017F;ein Gegen&#x017F;tand zufällig i&#x017F;t, &#x017F;on¬<lb/>
dern es kommt darauf an, wer Du, der Arbeitende, bi&#x017F;t. Ar¬<lb/>
beiten überhaupt kann&#x017F;t Du aus egoi&#x017F;ti&#x017F;chem (materiellem) An¬<lb/>
triebe, bloß um Dir Nahrung u. dergl. zu ver&#x017F;chaffen: es muß<lb/>
eine die Men&#x017F;chheit fördernde, auf das Wohl der Men&#x017F;chheit<lb/>
berechnete, der ge&#x017F;chichtlichen, d. h. men&#x017F;chlichen Entwicklung<lb/>
dienende, kurz eine <hi rendition="#g">humane</hi> Arbeit &#x017F;ein. Dazu gehört zweier¬<lb/>
lei, einmal daß &#x017F;ie der Men&#x017F;chheit zu Gute komme, zum An¬<lb/>
dern, daß &#x017F;ie von einem &#x201E;Men&#x017F;chen&#x201C; ausgehe. Das Er&#x017F;tere<lb/>
allein kann bei jeder Arbeit der Fall &#x017F;ein, da auch die Arbeiten<lb/>
der Natur, z. B. der Thiere, von der Men&#x017F;chheit zur Förde¬<lb/>
rung der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft u. &#x017F;. f. benutzt werden; das Zweite er¬<lb/>
fordert, daß der Arbeitende den men&#x017F;chlichen Zweck &#x017F;einer Arbeit<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e, und da er dieß Bewußt&#x017F;ein nur haben kann, wenn er<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;ich als Men&#x017F;ch weiß</hi>, &#x017F;o i&#x017F;t die ent&#x017F;cheidende Bedingung<lb/>
das &#x2014; <hi rendition="#g">Selb&#x017F;tbewußt&#x017F;ein</hi>.</p><lb/>
              <p>Gewiß i&#x017F;t &#x017F;chon viel erreicht, wenn Du aufhör&#x017F;t ein<lb/>
&#x201E;Stückarbeiter&#x201C; zu &#x017F;ein, aber Du über&#x017F;ieh&#x017F;t damit doch nur<lb/>
das Ganze deiner Arbeit, und erwirb&#x017F;t ein Bewußt&#x017F;ein über<lb/>
die&#x017F;elbe, was von einem Selb&#x017F;tbewußt&#x017F;ein, einem Bewußt&#x017F;ein<lb/>
über dein wahres &#x201E;Selb&#x017F;t&#x201C; oder &#x201E;We&#x017F;en&#x201C;, den Men&#x017F;chen,<lb/>
noch weit entfernt i&#x017F;t. Dem Arbeiter bleibt noch das Verlan¬<lb/>
gen nach einem &#x201E;höheren Bewußt&#x017F;ein&#x201C;, das er, weil die Arbeits¬<lb/>
thätigkeit es nicht zu &#x017F;tillen vermag, in einer Feier&#x017F;tunde be¬<lb/>
friedigt. Daher &#x017F;teht &#x017F;einer Arbeit das Feiern zur Seite, und<lb/>
er &#x017F;ieht &#x017F;ich gezwungen, in Einem Athem das Arbeiten und<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0180] deines Strebens nur deine und Aller Wohlfahrt iſt: was Du für die Lumpengeſellſchaft thuſt, das iſt für die „menſchliche Geſellſchaft“ noch nichts gethan. Das Arbeiten allein macht Dich nicht zum Menſchen, weil es etwas Formelles und ſein Gegenſtand zufällig iſt, ſon¬ dern es kommt darauf an, wer Du, der Arbeitende, biſt. Ar¬ beiten überhaupt kannſt Du aus egoiſtiſchem (materiellem) An¬ triebe, bloß um Dir Nahrung u. dergl. zu verſchaffen: es muß eine die Menſchheit fördernde, auf das Wohl der Menſchheit berechnete, der geſchichtlichen, d. h. menſchlichen Entwicklung dienende, kurz eine humane Arbeit ſein. Dazu gehört zweier¬ lei, einmal daß ſie der Menſchheit zu Gute komme, zum An¬ dern, daß ſie von einem „Menſchen“ ausgehe. Das Erſtere allein kann bei jeder Arbeit der Fall ſein, da auch die Arbeiten der Natur, z. B. der Thiere, von der Menſchheit zur Förde¬ rung der Wiſſenſchaft u. ſ. f. benutzt werden; das Zweite er¬ fordert, daß der Arbeitende den menſchlichen Zweck ſeiner Arbeit wiſſe, und da er dieß Bewußtſein nur haben kann, wenn er ſich als Menſch weiß, ſo iſt die entſcheidende Bedingung das — Selbſtbewußtſein. Gewiß iſt ſchon viel erreicht, wenn Du aufhörſt ein „Stückarbeiter“ zu ſein, aber Du überſiehſt damit doch nur das Ganze deiner Arbeit, und erwirbſt ein Bewußtſein über dieſelbe, was von einem Selbſtbewußtſein, einem Bewußtſein über dein wahres „Selbſt“ oder „Weſen“, den Menſchen, noch weit entfernt iſt. Dem Arbeiter bleibt noch das Verlan¬ gen nach einem „höheren Bewußtſein“, das er, weil die Arbeits¬ thätigkeit es nicht zu ſtillen vermag, in einer Feierſtunde be¬ friedigt. Daher ſteht ſeiner Arbeit das Feiern zur Seite, und er ſieht ſich gezwungen, in Einem Athem das Arbeiten und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/180
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/180>, abgerufen am 25.11.2024.