das Faulenzen für menschlich auszugeben, ja dem Faulenzer, dem Feiernden, die wahre Erhebung beizumessen. Er arbeitet nur, um von der Arbeit loszukommen: er will die Arbeit nur frei machen, um von der Arbeit frei zu werden.
Genug, seine Arbeit hat keinen befriedigenden Gehalt, weil sie nur von der Gesellschaft aufgetragen, nur ein Pensum, eine Aufgabe, ein Beruf ist, und umgekehrt, seine Gesellschaft befriedigt nicht, weil sie nur zu arbeiten giebt.
Die Arbeit müßte ihn als Menschen befriedigen: statt dessen befriedigt sie die Gesellschaft; die Gesellschaft müßte ihn als Menschen behandeln, und sie behandelt ihn als -- lum¬ pigen Arbeiter oder arbeitenden Lump.
Arbeit und Gesellschaft sind ihm nur nütze, nicht wie er als Mensch, sondern wie er als "Egoist" ihrer bedarf.
So die Kritik gegen das Arbeiterthum. Sie weist auf den "Geist" hin, führt den Kampf des "Geistes mit der Masse" *)und erklärt die communistische Arbeit für geistlose Massenarbeit. Arbeitsscheu, wie sie ist, liebt es die Masse, sich die Arbeit leicht zu machen. In der Literatur, die heute massenweise geliefert wird, erzeugt jene Arbeitsscheu die allbe¬ kannte Oberflächlichkeit, welche "die Mühe der Forschung" von sich weist**).
Darum sagt der humane Liberalismus: Ihr wollt die Ar¬ beit; wohlan, Wir wollen sie gleichfalls, aber Wir wollen sie in vollstem Maaße. Wir wollen sie nicht, um Muße zu gewin¬ nen, sondern um in ihr selber alle Genugthuung zu finden. Wir wollen die Arbeit, weil sie unsere Selbstentwicklung ist.
*) Lit. Ztg. V, 24.
**) Lit. Ztg. ebendaselbst.
das Faulenzen für menſchlich auszugeben, ja dem Faulenzer, dem Feiernden, die wahre Erhebung beizumeſſen. Er arbeitet nur, um von der Arbeit loszukommen: er will die Arbeit nur frei machen, um von der Arbeit frei zu werden.
Genug, ſeine Arbeit hat keinen befriedigenden Gehalt, weil ſie nur von der Geſellſchaft aufgetragen, nur ein Penſum, eine Aufgabe, ein Beruf iſt, und umgekehrt, ſeine Geſellſchaft befriedigt nicht, weil ſie nur zu arbeiten giebt.
Die Arbeit müßte ihn als Menſchen befriedigen: ſtatt deſſen befriedigt ſie die Geſellſchaft; die Geſellſchaft müßte ihn als Menſchen behandeln, und ſie behandelt ihn als — lum¬ pigen Arbeiter oder arbeitenden Lump.
Arbeit und Geſellſchaft ſind ihm nur nütze, nicht wie er als Menſch, ſondern wie er als „Egoiſt“ ihrer bedarf.
So die Kritik gegen das Arbeiterthum. Sie weiſt auf den „Geiſt“ hin, führt den Kampf des „Geiſtes mit der Maſſe“ *)und erklärt die communiſtiſche Arbeit für geiſtloſe Maſſenarbeit. Arbeitsſcheu, wie ſie iſt, liebt es die Maſſe, ſich die Arbeit leicht zu machen. In der Literatur, die heute maſſenweiſe geliefert wird, erzeugt jene Arbeitsſcheu die allbe¬ kannte Oberflächlichkeit, welche „die Mühe der Forſchung“ von ſich weiſt**).
Darum ſagt der humane Liberalismus: Ihr wollt die Ar¬ beit; wohlan, Wir wollen ſie gleichfalls, aber Wir wollen ſie in vollſtem Maaße. Wir wollen ſie nicht, um Muße zu gewin¬ nen, ſondern um in ihr ſelber alle Genugthuung zu finden. Wir wollen die Arbeit, weil ſie unſere Selbſtentwicklung iſt.
*) Lit. Ztg. V, 24.
**) Lit. Ztg. ebendaſelbſt.
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das Faulenzen für menſchlich auszugeben, ja dem Faulenzer,
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nur, um von der Arbeit loszukommen: er will die Arbeit nur
frei machen, um von der Arbeit frei zu werden.
Genug, ſeine Arbeit hat keinen befriedigenden Gehalt,
weil ſie nur von der Geſellſchaft aufgetragen, nur ein Penſum,
eine Aufgabe, ein Beruf iſt, und umgekehrt, ſeine Geſellſchaft
befriedigt nicht, weil ſie nur zu arbeiten giebt.
Die Arbeit müßte ihn als Menſchen befriedigen: ſtatt
deſſen befriedigt ſie die Geſellſchaft; die Geſellſchaft müßte ihn
als Menſchen behandeln, und ſie behandelt ihn als — lum¬
pigen Arbeiter oder arbeitenden Lump.
Arbeit und Geſellſchaft ſind ihm nur nütze, nicht wie er
als Menſch, ſondern wie er als „Egoiſt“ ihrer bedarf.
So die Kritik gegen das Arbeiterthum. Sie weiſt auf
den „Geiſt“ hin, führt den Kampf des „Geiſtes mit der
Maſſe“ *)und erklärt die communiſtiſche Arbeit für geiſtloſe
Maſſenarbeit. Arbeitsſcheu, wie ſie iſt, liebt es die Maſſe,
ſich die Arbeit leicht zu machen. In der Literatur, die heute
maſſenweiſe geliefert wird, erzeugt jene Arbeitsſcheu die allbe¬
kannte Oberflächlichkeit, welche „die Mühe der Forſchung“
von ſich weiſt **).
Darum ſagt der humane Liberalismus: Ihr wollt die Ar¬
beit; wohlan, Wir wollen ſie gleichfalls, aber Wir wollen ſie
in vollſtem Maaße. Wir wollen ſie nicht, um Muße zu gewin¬
nen, ſondern um in ihr ſelber alle Genugthuung zu finden.
Wir wollen die Arbeit, weil ſie unſere Selbſtentwicklung iſt.
*)
Lit. Ztg. V, 24.
**)
Lit. Ztg. ebendaſelbſt.
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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/181>, abgerufen am 25.11.2024.
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