solches mehr kommen wird, so wie in den vergange¬ nen Menschenaltern keines verzeichnet ist, das so entsezlich gewesen wäre, so würden in deinem und meinem Gemüthe doch immer Hagelwolken herauf steigen, so oft die Kinder auf dem hohen Nußberge wären. Bei einer Überraschung finden sie in dem Häuschen Schuz, und wenn sie auf dem Heimwege ein Gewitter sehen, so gibt auch der Wald die nothdürf¬ tige Unterkunft, und wir dürfen beruhigt sein, wenn sie auf jenem Wege gehen, besonders, wenn man fleißig auf die Wolken, und den Himmel blikt."
"Es ist häufig geblikt worden," erwiederte die Großmutter, "aber wenn Gott zur Rettung kleiner Engel ein sichtbares Wunder thun will, daß wir uns daran erbauen, so hilft alle menschliche Vorsicht nichts. Ich habe in siebenzig Jahren alle Wolken gesehen, die in diesem Lande sind; aber wenn es heute nicht wie ein Nebel ausgesehen hat, der in dem Herbste blau auf allen fernen Wäldern liegt, an den Rändern weiß funkelt, gegen Abend in die Thäler und auf das Land herunter steigt, und Morgens doch wieder weg geht, und die helle Sonne scheinen läßt: so will ich eine sehr harte Strafe hier und dort erdulden. Und sind in dieser Zeit des Jahres schon öfter Gewitter gewesen. Ein altes Wort sagt: Um das Fest der
10*
ſolches mehr kommen wird, ſo wie in den vergange¬ nen Menſchenaltern keines verzeichnet iſt, das ſo entſezlich geweſen wäre, ſo würden in deinem und meinem Gemüthe doch immer Hagelwolken herauf ſteigen, ſo oft die Kinder auf dem hohen Nußberge wären. Bei einer Überraſchung finden ſie in dem Häuschen Schuz, und wenn ſie auf dem Heimwege ein Gewitter ſehen, ſo gibt auch der Wald die nothdürf¬ tige Unterkunft, und wir dürfen beruhigt ſein, wenn ſie auf jenem Wege gehen, beſonders, wenn man fleißig auf die Wolken, und den Himmel blikt.“
„Es iſt häufig geblikt worden,“ erwiederte die Großmutter, „aber wenn Gott zur Rettung kleiner Engel ein ſichtbares Wunder thun will, daß wir uns daran erbauen, ſo hilft alle menſchliche Vorſicht nichts. Ich habe in ſiebenzig Jahren alle Wolken geſehen, die in dieſem Lande ſind; aber wenn es heute nicht wie ein Nebel ausgeſehen hat, der in dem Herbſte blau auf allen fernen Wäldern liegt, an den Rändern weiß funkelt, gegen Abend in die Thäler und auf das Land herunter ſteigt, und Morgens doch wieder weg geht, und die helle Sonne ſcheinen läßt: ſo will ich eine ſehr harte Strafe hier und dort erdulden. Und ſind in dieſer Zeit des Jahres ſchon öfter Gewitter geweſen. Ein altes Wort ſagt: Um das Feſt der
10*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0158"n="147"/>ſolches mehr kommen wird, ſo wie in den vergange¬<lb/>
nen Menſchenaltern keines verzeichnet iſt, das ſo<lb/>
entſezlich geweſen wäre, ſo würden in deinem und<lb/>
meinem Gemüthe doch immer Hagelwolken herauf<lb/>ſteigen, ſo oft die Kinder auf dem hohen Nußberge<lb/>
wären. Bei einer Überraſchung finden ſie in dem<lb/>
Häuschen Schuz, und wenn ſie auf dem Heimwege ein<lb/>
Gewitter ſehen, ſo gibt auch der Wald die nothdürf¬<lb/>
tige Unterkunft, und wir dürfen beruhigt ſein, wenn<lb/>ſie auf jenem Wege gehen, beſonders, wenn man<lb/>
fleißig auf die Wolken, und den Himmel blikt.“</p><lb/><p>„Es iſt häufig geblikt worden,“ erwiederte die<lb/>
Großmutter, „aber wenn Gott zur Rettung kleiner<lb/>
Engel ein ſichtbares Wunder thun will, daß wir uns<lb/>
daran erbauen, ſo hilft alle menſchliche Vorſicht nichts.<lb/>
Ich habe in ſiebenzig Jahren alle Wolken geſehen, die<lb/>
in dieſem Lande ſind; aber wenn es heute nicht wie<lb/>
ein Nebel ausgeſehen hat, der in dem Herbſte blau<lb/>
auf allen fernen Wäldern liegt, an den Rändern weiß<lb/>
funkelt, gegen Abend in die Thäler und auf das<lb/>
Land herunter ſteigt, und Morgens doch wieder weg<lb/>
geht, und die helle Sonne ſcheinen läßt: ſo will ich<lb/>
eine ſehr harte Strafe hier und dort erdulden. Und<lb/>ſind in dieſer Zeit des Jahres ſchon öfter Gewitter<lb/>
geweſen. Ein altes Wort ſagt: Um das Feſt der<lb/><fwplace="bottom"type="sig">10*<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[147/0158]
ſolches mehr kommen wird, ſo wie in den vergange¬
nen Menſchenaltern keines verzeichnet iſt, das ſo
entſezlich geweſen wäre, ſo würden in deinem und
meinem Gemüthe doch immer Hagelwolken herauf
ſteigen, ſo oft die Kinder auf dem hohen Nußberge
wären. Bei einer Überraſchung finden ſie in dem
Häuschen Schuz, und wenn ſie auf dem Heimwege ein
Gewitter ſehen, ſo gibt auch der Wald die nothdürf¬
tige Unterkunft, und wir dürfen beruhigt ſein, wenn
ſie auf jenem Wege gehen, beſonders, wenn man
fleißig auf die Wolken, und den Himmel blikt.“
„Es iſt häufig geblikt worden,“ erwiederte die
Großmutter, „aber wenn Gott zur Rettung kleiner
Engel ein ſichtbares Wunder thun will, daß wir uns
daran erbauen, ſo hilft alle menſchliche Vorſicht nichts.
Ich habe in ſiebenzig Jahren alle Wolken geſehen, die
in dieſem Lande ſind; aber wenn es heute nicht wie
ein Nebel ausgeſehen hat, der in dem Herbſte blau
auf allen fernen Wäldern liegt, an den Rändern weiß
funkelt, gegen Abend in die Thäler und auf das
Land herunter ſteigt, und Morgens doch wieder weg
geht, und die helle Sonne ſcheinen läßt: ſo will ich
eine ſehr harte Strafe hier und dort erdulden. Und
ſind in dieſer Zeit des Jahres ſchon öfter Gewitter
geweſen. Ein altes Wort ſagt: Um das Feſt der
10*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/158>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.