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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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sie Dichtungen nennen, wenn Gedanken in ihnen
gewesen wären, oder wenn man Grund Ursprung
und Verlauf des Ausgesprochenen hätte enträthseln
können. Von einem Verständnisse, was Tod was
Umirren in der Welt und sich aus Verzweiflung das
Leben nehmen heiße, war keine Spur vorhanden,
und doch war dieses alles der trübselige Inhalt
der Ausarbeitungen. Der Ausdruk war klar und
bündig, der Sazbau richtig und gut, und die Worte
obwohl sinnlos waren erhaben.

Ich nahm von diesem Umstande Veranlassung,
aus Dichtern oder andern Schriftstellern Säze mit
bestimmter gehobner Betonung vorzutragen. Das
Mädchen merkte hoch auf. Bald sagte es selber solche
Dinge her, und später trug es mit einer Art Schau¬
stellung Theile aus den besten und herrlichsten Schrif¬
ten unseres Volkes vor. Wenn man aber näher in
das Werk einging, von dem es eine Stelle gesagt
hatte, und nach dessen Inhalt Bedeutung und Gestalt
forschte, verstand es nicht, was man wollte. Auch
war in der Verlassenschaft kein einziges der betreffen¬
den Bücher vorhanden. Das Aufsagen solcher Stellen
war ein Reiz für das Mädchen, dem es sich schwär¬
merisch hingab. Wir kamen dahinter, daß die leisen
Worte, die es zur Dohle sagte, ähnliche Dinge

ſie Dichtungen nennen, wenn Gedanken in ihnen
geweſen wären, oder wenn man Grund Urſprung
und Verlauf des Ausgeſprochenen hätte enträthſeln
können. Von einem Verſtändniſſe, was Tod was
Umirren in der Welt und ſich aus Verzweiflung das
Leben nehmen heiße, war keine Spur vorhanden,
und doch war dieſes alles der trübſelige Inhalt
der Ausarbeitungen. Der Ausdruk war klar und
bündig, der Sazbau richtig und gut, und die Worte
obwohl ſinnlos waren erhaben.

Ich nahm von dieſem Umſtande Veranlaſſung,
aus Dichtern oder andern Schriftſtellern Säze mit
beſtimmter gehobner Betonung vorzutragen. Das
Mädchen merkte hoch auf. Bald ſagte es ſelber ſolche
Dinge her, und ſpäter trug es mit einer Art Schau¬
ſtellung Theile aus den beſten und herrlichſten Schrif¬
ten unſeres Volkes vor. Wenn man aber näher in
das Werk einging, von dem es eine Stelle geſagt
hatte, und nach deſſen Inhalt Bedeutung und Geſtalt
forſchte, verſtand es nicht, was man wollte. Auch
war in der Verlaſſenſchaft kein einziges der betreffen¬
den Bücher vorhanden. Das Aufſagen ſolcher Stellen
war ein Reiz für das Mädchen, dem es ſich ſchwär¬
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[264/0277] ſie Dichtungen nennen, wenn Gedanken in ihnen geweſen wären, oder wenn man Grund Urſprung und Verlauf des Ausgeſprochenen hätte enträthſeln können. Von einem Verſtändniſſe, was Tod was Umirren in der Welt und ſich aus Verzweiflung das Leben nehmen heiße, war keine Spur vorhanden, und doch war dieſes alles der trübſelige Inhalt der Ausarbeitungen. Der Ausdruk war klar und bündig, der Sazbau richtig und gut, und die Worte obwohl ſinnlos waren erhaben. Ich nahm von dieſem Umſtande Veranlaſſung, aus Dichtern oder andern Schriftſtellern Säze mit beſtimmter gehobner Betonung vorzutragen. Das Mädchen merkte hoch auf. Bald ſagte es ſelber ſolche Dinge her, und ſpäter trug es mit einer Art Schau¬ ſtellung Theile aus den beſten und herrlichſten Schrif¬ ten unſeres Volkes vor. Wenn man aber näher in das Werk einging, von dem es eine Stelle geſagt hatte, und nach deſſen Inhalt Bedeutung und Geſtalt forſchte, verſtand es nicht, was man wollte. Auch war in der Verlaſſenſchaft kein einziges der betreffen¬ den Bücher vorhanden. Das Aufſagen ſolcher Stellen war ein Reiz für das Mädchen, dem es ſich ſchwär¬ meriſch hingab. Wir kamen dahinter, daß die leiſen Worte, die es zur Dohle ſagte, ähnliche Dinge

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/277>, abgerufen am 23.11.2024.