uns unter die Erde gethan worden sei, wie man es mit allen Todten thue, und daß er dort in Ruhe lie¬ gen bleiben werde.
Da fing es heftig zu weinen an, ich suchte es zu trösten, aber meine Worte verfingen nichts, es weinte fort, bis es sich selber nach und nach ein wenig sänf¬ tigte. Ich fragte es, da es stiller geworden war, ob es wieder mit mir in meine Wohnung gehen wolle, ich würde es, sobald es wollte, abermals hieher zu¬ rük führen. Da die Wohnung leer war, machte das Mädchen wenig Widerstand, und ich führte es in das Stübchen, in dem es geschlafen hatte. Nach einer Weile gingen wir wieder in die unterirdische Woh¬ nung. Und so wiederholte ich das Verfahren im Laufe des Tages mehrere Male, theils um das Mädchen zu beschäftigen, theils um es an eine Veränderung seiner Lage zu gewöhnen, und ihm den Schein von Freiheit zu lassen, damit es nicht durch Empfindung eines Zwanges widersezlich und unbehandelbar würde.
Ich gab ihm auch Speisen, von denen ich ver¬ muthete, daß sie ihm zusagen könnten.
Gegen Abend, da wir in der unterirdischen Stube waren, schlug ich vor, daß es wieder in dem Stübchen schlafen solle, in welchem es in der vorigen Nacht geschlafen habe, es sei dort warm, es sei ein gutes
uns unter die Erde gethan worden ſei, wie man es mit allen Todten thue, und daß er dort in Ruhe lie¬ gen bleiben werde.
Da fing es heftig zu weinen an, ich ſuchte es zu tröſten, aber meine Worte verfingen nichts, es weinte fort, bis es ſich ſelber nach und nach ein wenig ſänf¬ tigte. Ich fragte es, da es ſtiller geworden war, ob es wieder mit mir in meine Wohnung gehen wolle, ich würde es, ſobald es wollte, abermals hieher zu¬ rük führen. Da die Wohnung leer war, machte das Mädchen wenig Widerſtand, und ich führte es in das Stübchen, in dem es geſchlafen hatte. Nach einer Weile gingen wir wieder in die unterirdiſche Woh¬ nung. Und ſo wiederholte ich das Verfahren im Laufe des Tages mehrere Male, theils um das Mädchen zu beſchäftigen, theils um es an eine Veränderung ſeiner Lage zu gewöhnen, und ihm den Schein von Freiheit zu laſſen, damit es nicht durch Empfindung eines Zwanges widerſezlich und unbehandelbar würde.
Ich gab ihm auch Speiſen, von denen ich ver¬ muthete, daß ſie ihm zuſagen könnten.
Gegen Abend, da wir in der unterirdiſchen Stube waren, ſchlug ich vor, daß es wieder in dem Stübchen ſchlafen ſolle, in welchem es in der vorigen Nacht geſchlafen habe, es ſei dort warm, es ſei ein gutes
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0267"n="254"/>
uns unter die Erde gethan worden ſei, wie man es<lb/>
mit allen Todten thue, und daß er dort in Ruhe lie¬<lb/>
gen bleiben werde.</p><lb/><p>Da fing es heftig zu weinen an, ich ſuchte es zu<lb/>
tröſten, aber meine Worte verfingen nichts, es weinte<lb/>
fort, bis es ſich ſelber nach und nach ein wenig ſänf¬<lb/>
tigte. Ich fragte es, da es ſtiller geworden war, ob<lb/>
es wieder mit mir in meine Wohnung gehen wolle,<lb/>
ich würde es, ſobald es wollte, abermals hieher zu¬<lb/>
rük führen. Da die Wohnung leer war, machte das<lb/>
Mädchen wenig Widerſtand, und ich führte es in das<lb/>
Stübchen, in dem es geſchlafen hatte. Nach einer<lb/>
Weile gingen wir wieder in die unterirdiſche Woh¬<lb/>
nung. Und ſo wiederholte ich das Verfahren im Laufe<lb/>
des Tages mehrere Male, theils um das Mädchen zu<lb/>
beſchäftigen, theils um es an eine Veränderung ſeiner<lb/>
Lage zu gewöhnen, und ihm den Schein von Freiheit<lb/>
zu laſſen, damit es nicht durch Empfindung eines<lb/>
Zwanges widerſezlich und unbehandelbar würde.</p><lb/><p>Ich gab ihm auch Speiſen, von denen ich ver¬<lb/>
muthete, daß ſie ihm zuſagen könnten.</p><lb/><p><choice><sic>Gegend</sic><corr>Gegen</corr></choice> Abend, da wir in der unterirdiſchen Stube<lb/>
waren, ſchlug ich vor, daß es wieder in dem Stübchen<lb/>ſchlafen ſolle, in welchem es in der vorigen Nacht<lb/>
geſchlafen habe, es ſei dort warm, es ſei ein gutes<lb/></p></div></body></text></TEI>
[254/0267]
uns unter die Erde gethan worden ſei, wie man es
mit allen Todten thue, und daß er dort in Ruhe lie¬
gen bleiben werde.
Da fing es heftig zu weinen an, ich ſuchte es zu
tröſten, aber meine Worte verfingen nichts, es weinte
fort, bis es ſich ſelber nach und nach ein wenig ſänf¬
tigte. Ich fragte es, da es ſtiller geworden war, ob
es wieder mit mir in meine Wohnung gehen wolle,
ich würde es, ſobald es wollte, abermals hieher zu¬
rük führen. Da die Wohnung leer war, machte das
Mädchen wenig Widerſtand, und ich führte es in das
Stübchen, in dem es geſchlafen hatte. Nach einer
Weile gingen wir wieder in die unterirdiſche Woh¬
nung. Und ſo wiederholte ich das Verfahren im Laufe
des Tages mehrere Male, theils um das Mädchen zu
beſchäftigen, theils um es an eine Veränderung ſeiner
Lage zu gewöhnen, und ihm den Schein von Freiheit
zu laſſen, damit es nicht durch Empfindung eines
Zwanges widerſezlich und unbehandelbar würde.
Ich gab ihm auch Speiſen, von denen ich ver¬
muthete, daß ſie ihm zuſagen könnten.
Gegen Abend, da wir in der unterirdiſchen Stube
waren, ſchlug ich vor, daß es wieder in dem Stübchen
ſchlafen ſolle, in welchem es in der vorigen Nacht
geſchlafen habe, es ſei dort warm, es ſei ein gutes
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/267>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.