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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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hätten, verrichtet habe, und daß ich jezt das Mädchen
wieder in seine Wohnung führen wolle. Es stand
heiter von dem Stuhle auf, und folgte mir.

Als wir in die unterirdische Stube gekommen
waren, fragte es nach dem Vater. Ich war in Verle¬
genheit; denn ich hatte gedacht, daß es wisse, daß
der Vater todt sei; denn es hatte selbst das Wort ge¬
braucht; und daß es daher wissen werde, wohin er
gebracht worden sei, wenn es denselben nicht mehr in
der Wohnung finden würde. Ich sagte daher, daß es
ja wisse, daß der Vater gestorben sei, daß es ja selber
gesagt habe, daß er nicht mehr gesund geworden, son¬
dern todt sei, und daß er daher nach dem Gebrauche
unserer Religion begraben worden sei.

Es stuzte eine Weile, dann sagte es: "Er wird
gar nicht mehr kommen?"

Ich hatte nicht den Muth, ja zu sagen, und ich
hatte nicht den Muth, das Mädchen durch Täuschung
zu trösten, sondern blieb mitten in meiner Halbheit
von Zugeben.

Es sagte nach einer Weile wieder fragend: "Er
wird gar nicht mehr kommen?"

Nun hatte ich den Muth nicht mehr, unwahr zu
sein, sondern ich sagte dem Mädchen, daß der Vater
todt sei, daß er sich nie mehr regen könne, daß er von

hätten, verrichtet habe, und daß ich jezt das Mädchen
wieder in ſeine Wohnung führen wolle. Es ſtand
heiter von dem Stuhle auf, und folgte mir.

Als wir in die unterirdiſche Stube gekommen
waren, fragte es nach dem Vater. Ich war in Verle¬
genheit; denn ich hatte gedacht, daß es wiſſe, daß
der Vater todt ſei; denn es hatte ſelbſt das Wort ge¬
braucht; und daß es daher wiſſen werde, wohin er
gebracht worden ſei, wenn es denſelben nicht mehr in
der Wohnung finden würde. Ich ſagte daher, daß es
ja wiſſe, daß der Vater geſtorben ſei, daß es ja ſelber
geſagt habe, daß er nicht mehr geſund geworden, ſon¬
dern todt ſei, und daß er daher nach dem Gebrauche
unſerer Religion begraben worden ſei.

Es ſtuzte eine Weile, dann ſagte es: „Er wird
gar nicht mehr kommen?“

Ich hatte nicht den Muth, ja zu ſagen, und ich
hatte nicht den Muth, das Mädchen durch Täuſchung
zu tröſten, ſondern blieb mitten in meiner Halbheit
von Zugeben.

Es ſagte nach einer Weile wieder fragend: „Er
wird gar nicht mehr kommen?“

Nun hatte ich den Muth nicht mehr, unwahr zu
ſein, ſondern ich ſagte dem Mädchen, daß der Vater
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[253/0266] hätten, verrichtet habe, und daß ich jezt das Mädchen wieder in ſeine Wohnung führen wolle. Es ſtand heiter von dem Stuhle auf, und folgte mir. Als wir in die unterirdiſche Stube gekommen waren, fragte es nach dem Vater. Ich war in Verle¬ genheit; denn ich hatte gedacht, daß es wiſſe, daß der Vater todt ſei; denn es hatte ſelbſt das Wort ge¬ braucht; und daß es daher wiſſen werde, wohin er gebracht worden ſei, wenn es denſelben nicht mehr in der Wohnung finden würde. Ich ſagte daher, daß es ja wiſſe, daß der Vater geſtorben ſei, daß es ja ſelber geſagt habe, daß er nicht mehr geſund geworden, ſon¬ dern todt ſei, und daß er daher nach dem Gebrauche unſerer Religion begraben worden ſei. Es ſtuzte eine Weile, dann ſagte es: „Er wird gar nicht mehr kommen?“ Ich hatte nicht den Muth, ja zu ſagen, und ich hatte nicht den Muth, das Mädchen durch Täuſchung zu tröſten, ſondern blieb mitten in meiner Halbheit von Zugeben. Es ſagte nach einer Weile wieder fragend: „Er wird gar nicht mehr kommen?“ Nun hatte ich den Muth nicht mehr, unwahr zu ſein, ſondern ich ſagte dem Mädchen, daß der Vater todt ſei, daß er ſich nie mehr regen könne, daß er von

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/266>, abgerufen am 04.05.2024.