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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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deinen Schulsak ab, gehe in die Kinderstube, da wirst
du dein Nachmittagbrot bekommen, und schlage dir
den Raben aus dem Sinn, es liegt nichts an ihm."

Der Knabe küßte mir die Hand, und ging leichten
Gemüthes in die Kinderstube.

Aber mein Gemüth war nicht so leicht, es war nach¬
denklich geworden. Mir fiel nun das vor vieler Zeit
gesehene Paar ein, dem ich einmal in der Richtung
nach der Kirche des Krankenhauses nachgegangen bin.
Das Mädchen hatte auch damals einen nach des
Knaben Ausdruk fürchterlich großen Kopf gehabt.
Ich fing nun an, die Begebenheiten zu verbinden.
Wenn der von Alfred gesehene Kopf der nehmliche
gewesen ist, den ich an jenem Mädchen wahrgenom¬
men hatte, so muß das Mädchen in einer unterirdi¬
schen Wohnung des Perronschen Hauses wohnen.
Wenn ich nun an den Pförtner des Perronschen
Hauses dachte, dem ich das Buch für den Profeßor
Andorf gegeben hatte, so dürfte derselbe, wie mir
jezt vorkam, ungefähr die Gestalt und Größe des
Mannes haben, den ich mit dem Mädchen über die
Strasse gehen gesehen hatte. Dann war der Pförtner
vielleicht der Vater des Mädchens.

Mir fiel auch noch einmal auf, wie ordentlich ja
anständig sich damals der Pförtner benommen hatte,

deinen Schulſak ab, gehe in die Kinderſtube, da wirſt
du dein Nachmittagbrot bekommen, und ſchlage dir
den Raben aus dem Sinn, es liegt nichts an ihm.“

Der Knabe küßte mir die Hand, und ging leichten
Gemüthes in die Kinderſtube.

Aber mein Gemüth war nicht ſo leicht, es war nach¬
denklich geworden. Mir fiel nun das vor vieler Zeit
geſehene Paar ein, dem ich einmal in der Richtung
nach der Kirche des Krankenhauſes nachgegangen bin.
Das Mädchen hatte auch damals einen nach des
Knaben Ausdruk fürchterlich großen Kopf gehabt.
Ich fing nun an, die Begebenheiten zu verbinden.
Wenn der von Alfred geſehene Kopf der nehmliche
geweſen iſt, den ich an jenem Mädchen wahrgenom¬
men hatte, ſo muß das Mädchen in einer unterirdi¬
ſchen Wohnung des Perronſchen Hauſes wohnen.
Wenn ich nun an den Pförtner des Perronſchen
Hauſes dachte, dem ich das Buch für den Profeßor
Andorf gegeben hatte, ſo dürfte derſelbe, wie mir
jezt vorkam, ungefähr die Geſtalt und Größe des
Mannes haben, den ich mit dem Mädchen über die
Straſſe gehen geſehen hatte. Dann war der Pförtner
vielleicht der Vater des Mädchens.

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[237/0250] deinen Schulſak ab, gehe in die Kinderſtube, da wirſt du dein Nachmittagbrot bekommen, und ſchlage dir den Raben aus dem Sinn, es liegt nichts an ihm.“ Der Knabe küßte mir die Hand, und ging leichten Gemüthes in die Kinderſtube. Aber mein Gemüth war nicht ſo leicht, es war nach¬ denklich geworden. Mir fiel nun das vor vieler Zeit geſehene Paar ein, dem ich einmal in der Richtung nach der Kirche des Krankenhauſes nachgegangen bin. Das Mädchen hatte auch damals einen nach des Knaben Ausdruk fürchterlich großen Kopf gehabt. Ich fing nun an, die Begebenheiten zu verbinden. Wenn der von Alfred geſehene Kopf der nehmliche geweſen iſt, den ich an jenem Mädchen wahrgenom¬ men hatte, ſo muß das Mädchen in einer unterirdi¬ ſchen Wohnung des Perronſchen Hauſes wohnen. Wenn ich nun an den Pförtner des Perronſchen Hauſes dachte, dem ich das Buch für den Profeßor Andorf gegeben hatte, ſo dürfte derſelbe, wie mir jezt vorkam, ungefähr die Geſtalt und Größe des Mannes haben, den ich mit dem Mädchen über die Straſſe gehen geſehen hatte. Dann war der Pförtner vielleicht der Vater des Mädchens. Mir fiel auch noch einmal auf, wie ordentlich ja anſtändig ſich damals der Pförtner benommen hatte‚

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/250>, abgerufen am 30.04.2024.