es hatte nur linnene Beinkleider an, eine ähnliche Jake, auf dem Kopfe nichts, und an den Füssen Pantoffel.
"Ich suche den Herrn Profeßor Andorf," sagte ich.
"Was wünschen Sie denn von dem Herrn Pro¬ feßor Andorf?" erwiederte er, "kann ich vielleicht eine Botschaft oder eine Übergabe bestellen, der Herr Profeßor ist nicht zu Hause."
Ich sah den Mann näher an. Er hatte ein läng¬ liches Angesicht und blaue Augen. Seine Miene stieß nicht ab.
"Ich hätte ein Buch zu übergeben," sagte ich, "das nur in seine Hände gehört, aber da er nicht zu Hause ist, so kann das Buch auch ein anderes Mal zu ihm kommen, mein Gatte kann es ein anders Mal herüber schiken."
"Ich bin der Pförtner des Hauses" erwiederte er, "Sie können mir das Buch schon anvertrauen; wenn Sie es aber vorziehen, es ihm selbst zu übergeben, oder durch jemand Ihrer Leute übergeben zu lassen, so treffen Sie den Profeßor täglich bis neun Uhr früh, und meistens auch zwischen vier Uhr und sechs Uhr Nachmittags."
Da ich unschlüßig zauderte, und ihn ansah, sagte er: "Verehrte Frau, geben Sie mir das Buch, ich
es hatte nur linnene Beinkleider an, eine ähnliche Jake, auf dem Kopfe nichts, und an den Füſſen Pantoffel.
„Ich ſuche den Herrn Profeßor Andorf,“ ſagte ich.
„Was wünſchen Sie denn von dem Herrn Pro¬ feßor Andorf?“ erwiederte er, „kann ich vielleicht eine Botſchaft oder eine Übergabe beſtellen, der Herr Profeßor iſt nicht zu Hauſe.“
Ich ſah den Mann näher an. Er hatte ein läng¬ liches Angeſicht und blaue Augen. Seine Miene ſtieß nicht ab.
„Ich hätte ein Buch zu übergeben,“ ſagte ich, „das nur in ſeine Hände gehört, aber da er nicht zu Hauſe iſt, ſo kann das Buch auch ein anderes Mal zu ihm kommen, mein Gatte kann es ein anders Mal herüber ſchiken.“
„Ich bin der Pförtner des Hauſes“ erwiederte er, „Sie können mir das Buch ſchon anvertrauen; wenn Sie es aber vorziehen, es ihm ſelbſt zu übergeben, oder durch jemand Ihrer Leute übergeben zu laſſen, ſo treffen Sie den Profeßor täglich bis neun Uhr früh, und meiſtens auch zwiſchen vier Uhr und ſechs Uhr Nachmittags.“
Da ich unſchlüßig zauderte, und ihn anſah, ſagte er: „Verehrte Frau, geben Sie mir das Buch, ich
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es hatte nur linnene Beinkleider an, eine ähnliche
Jake, auf dem Kopfe nichts, und an den Füſſen
Pantoffel.
„Ich ſuche den Herrn Profeßor Andorf,“ ſagte ich.
„Was wünſchen Sie denn von dem Herrn Pro¬
feßor Andorf?“ erwiederte er, „kann ich vielleicht eine
Botſchaft oder eine Übergabe beſtellen, der Herr
Profeßor iſt nicht zu Hauſe.“
Ich ſah den Mann näher an. Er hatte ein läng¬
liches Angeſicht und blaue Augen. Seine Miene ſtieß
nicht ab.
„Ich hätte ein Buch zu übergeben,“ ſagte ich,
„das nur in ſeine Hände gehört, aber da er nicht zu
Hauſe iſt, ſo kann das Buch auch ein anderes Mal
zu ihm kommen, mein Gatte kann es ein anders Mal
herüber ſchiken.“
„Ich bin der Pförtner des Hauſes“ erwiederte er,
„Sie können mir das Buch ſchon anvertrauen; wenn
Sie es aber vorziehen, es ihm ſelbſt zu übergeben,
oder durch jemand Ihrer Leute übergeben zu laſſen,
ſo treffen Sie den Profeßor täglich bis neun Uhr
früh, und meiſtens auch zwiſchen vier Uhr und ſechs
Uhr Nachmittags.“
Da ich unſchlüßig zauderte, und ihn anſah, ſagte
er: „Verehrte Frau, geben Sie mir das Buch, ich
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/245>, abgerufen am 16.02.2025.
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