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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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sah aber auch bei allen Fugen der Steine das Gras
heraus stehen, das schön und unzertreten wuchs. An
den Mauern, die den Hof bildeten, sah ich mehrere
Thore, die zu Stallungen oder Wagenbehältern füh¬
ren mochten, aber die Thore wurden nie geöffnet,
was ihr ausgewittertes vertroknetes und zum Theil
zerfallenes Aussehen das hohe Gras zu ihren Füssen
und die braunverrosteten Angeln bewiesen. Es waren
auch drei Mündungen, die zu Treppen führten, aber
die Mündungen sahen unwirthlich aus, und die Trep¬
pen schienen nicht betreten zu werden. Unter den
erblindeten oder bläulich schillernden oder theils mit
hölzernen Läden verschlossenen Fenstern sah ich auch
einige mit reinem Glase, hinter denen weiße Vor¬
hänge waren. Ich schloß, daß diese zu der Wohnung
des Profeßors gehören möchten, wußte aber nicht,
wie ich zu dieser Wohnung hinan gelangen könnte.

In diesem Augenblike hörte ich leise Tritte hinter
mir, und vernahm eine nicht unangenehme etwas
feine Männerstimme, die sagte: "Wünschen Sie
etwas?"

Ich wendete mich um, und sah ein Männchen
hinter mir stehen, das spärliche graue Haare auf dem
Haupte und einen schlichten Ausdruk in dem Ange¬
sichte hatte. Es war nicht eigentlich angekleidet; denn

ſah aber auch bei allen Fugen der Steine das Gras
heraus ſtehen, das ſchön und unzertreten wuchs. An
den Mauern, die den Hof bildeten, ſah ich mehrere
Thore, die zu Stallungen oder Wagenbehältern füh¬
ren mochten, aber die Thore wurden nie geöffnet,
was ihr ausgewittertes vertroknetes und zum Theil
zerfallenes Ausſehen das hohe Gras zu ihren Füſſen
und die braunverroſteten Angeln bewieſen. Es waren
auch drei Mündungen, die zu Treppen führten, aber
die Mündungen ſahen unwirthlich aus, und die Trep¬
pen ſchienen nicht betreten zu werden. Unter den
erblindeten oder bläulich ſchillernden oder theils mit
hölzernen Läden verſchloſſenen Fenſtern ſah ich auch
einige mit reinem Glaſe, hinter denen weiße Vor¬
hänge waren. Ich ſchloß, daß dieſe zu der Wohnung
des Profeßors gehören möchten, wußte aber nicht,
wie ich zu dieſer Wohnung hinan gelangen könnte.

In dieſem Augenblike hörte ich leiſe Tritte hinter
mir, und vernahm eine nicht unangenehme etwas
feine Männerſtimme, die ſagte: „Wünſchen Sie
etwas?“

Ich wendete mich um, und ſah ein Männchen
hinter mir ſtehen, das ſpärliche graue Haare auf dem
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[231/0244] ſah aber auch bei allen Fugen der Steine das Gras heraus ſtehen, das ſchön und unzertreten wuchs. An den Mauern, die den Hof bildeten, ſah ich mehrere Thore, die zu Stallungen oder Wagenbehältern füh¬ ren mochten, aber die Thore wurden nie geöffnet, was ihr ausgewittertes vertroknetes und zum Theil zerfallenes Ausſehen das hohe Gras zu ihren Füſſen und die braunverroſteten Angeln bewieſen. Es waren auch drei Mündungen, die zu Treppen führten, aber die Mündungen ſahen unwirthlich aus, und die Trep¬ pen ſchienen nicht betreten zu werden. Unter den erblindeten oder bläulich ſchillernden oder theils mit hölzernen Läden verſchloſſenen Fenſtern ſah ich auch einige mit reinem Glaſe, hinter denen weiße Vor¬ hänge waren. Ich ſchloß, daß dieſe zu der Wohnung des Profeßors gehören möchten, wußte aber nicht, wie ich zu dieſer Wohnung hinan gelangen könnte. In dieſem Augenblike hörte ich leiſe Tritte hinter mir, und vernahm eine nicht unangenehme etwas feine Männerſtimme, die ſagte: „Wünſchen Sie etwas?“ Ich wendete mich um, und ſah ein Männchen hinter mir ſtehen, das ſpärliche graue Haare auf dem Haupte und einen ſchlichten Ausdruk in dem Ange¬ ſichte hatte. Es war nicht eigentlich angekleidet; denn

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/244>, abgerufen am 30.04.2024.