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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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Wiese verursacht haben mochte, so war auch diese
Erscheinung schön. Die große Wasserfläche glänzte
unter den Strahlen der Sonne, sie machte zu dem
Grün der Wiese und dem Grau der Steine den dritten
stimmenden und schimmernden Klang, und der Steg
stand abenteuerlich wie eine dunkle Linie über dem
silbernen Spiegel.

Der Pfarrer zeigte mir mehrere Stellen sehr ent¬
fernter Gegenden, die man sonst nicht sehen konnte,
die aber heute deutlich in der gereinigten Luft wie
klare Bilder zu erbliken waren.

Nachdem wir eine kleine Zeit das Morgenschau¬
spiel, das die Augen unwillkührlich auf sich gezogen
hatte, betrachtet hatten, brachte der Pfarrer kalte
Milch und schwarzes Brot zum Frühmale. Wir ver¬
zehrten beides, und ich schikte mich dann zum Fort¬
gehen an. Ich nahm mein Fach und meine Tasche
mit dem Lederriemen über die Schulter, nahm meinen
Stab von der Eke neben dem gelben Schreine, nahm
meinen weißen Wanderhut, und sagte dem Pfarrer
herzlichen Dank für meine Beherbergung während
des starken Gewitters.

"Wenn es nur nicht zu schlecht gewesen ist,"
sagte er.

"Nein, nein, Euer Ehrwürden," erwiederte ich,

Wieſe verurſacht haben mochte, ſo war auch dieſe
Erſcheinung ſchön. Die große Waſſerfläche glänzte
unter den Strahlen der Sonne, ſie machte zu dem
Grün der Wieſe und dem Grau der Steine den dritten
ſtimmenden und ſchimmernden Klang, und der Steg
ſtand abenteuerlich wie eine dunkle Linie über dem
ſilbernen Spiegel.

Der Pfarrer zeigte mir mehrere Stellen ſehr ent¬
fernter Gegenden, die man ſonſt nicht ſehen konnte,
die aber heute deutlich in der gereinigten Luft wie
klare Bilder zu erbliken waren.

Nachdem wir eine kleine Zeit das Morgenſchau¬
ſpiel, das die Augen unwillkührlich auf ſich gezogen
hatte, betrachtet hatten, brachte der Pfarrer kalte
Milch und ſchwarzes Brot zum Frühmale. Wir ver¬
zehrten beides, und ich ſchikte mich dann zum Fort¬
gehen an. Ich nahm mein Fach und meine Taſche
mit dem Lederriemen über die Schulter, nahm meinen
Stab von der Eke neben dem gelben Schreine, nahm
meinen weißen Wanderhut, und ſagte dem Pfarrer
herzlichen Dank für meine Beherbergung während
des ſtarken Gewitters.

„Wenn es nur nicht zu ſchlecht geweſen iſt,“
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„Nein, nein, Euer Ehrwürden,“ erwiederte ich,

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[120/0133] Wieſe verurſacht haben mochte, ſo war auch dieſe Erſcheinung ſchön. Die große Waſſerfläche glänzte unter den Strahlen der Sonne, ſie machte zu dem Grün der Wieſe und dem Grau der Steine den dritten ſtimmenden und ſchimmernden Klang, und der Steg ſtand abenteuerlich wie eine dunkle Linie über dem ſilbernen Spiegel. Der Pfarrer zeigte mir mehrere Stellen ſehr ent¬ fernter Gegenden, die man ſonſt nicht ſehen konnte, die aber heute deutlich in der gereinigten Luft wie klare Bilder zu erbliken waren. Nachdem wir eine kleine Zeit das Morgenſchau¬ ſpiel, das die Augen unwillkührlich auf ſich gezogen hatte, betrachtet hatten, brachte der Pfarrer kalte Milch und ſchwarzes Brot zum Frühmale. Wir ver¬ zehrten beides, und ich ſchikte mich dann zum Fort¬ gehen an. Ich nahm mein Fach und meine Taſche mit dem Lederriemen über die Schulter, nahm meinen Stab von der Eke neben dem gelben Schreine, nahm meinen weißen Wanderhut, und ſagte dem Pfarrer herzlichen Dank für meine Beherbergung während des ſtarken Gewitters. „Wenn es nur nicht zu ſchlecht geweſen iſt,“ ſagte er. „Nein, nein, Euer Ehrwürden,“ erwiederte ich,

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/133>, abgerufen am 05.05.2024.