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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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Sofort erhob man sich von dem Tische, und rüstete
sich zu dem Gange in die Gewächshäuser. Simon
hatte alles andere um die Stelle des Peruvianus,
der in ein eigenes Glashäuschen hinein ragte, ent¬
fernt, und Plaz zum Betrachten der Pflanze gemacht.
Die Blume war, da wir hinkamen bereits offen. Eine
große weiße prachtvolle fremdartige Blume. Alles
war einstimmig im Lobe derselben.

"So viele Menschen den Peruvianus haben,"
sagte Simon, "denn gar selten ist er eben nicht, so
mächtig groß sie auch seinen Stamm ziehen, so selten
bringen sie ihn zur Blüthe. Wenige Menschen in Eu¬
ropa haben diese weiße Blume gesehen. Jezt öffnet
sie sich, morgen mit Tagesanbruch ist sie hin. Sie ist
kostbar mit ihrer Gegenwart. Mir ist es geglückt, sie
blühen zu machen -- und gerade heute. -- Es ist ein
Glück, das die wahrste Freude hervorbringen muß."

Wir blieben ziemlich lange, und erwarteten das
völlige Entfalten.

"Es kommen auch nicht viele Blumen wie bei
gemeinen Gewächsen hervor," sagte Simon wieder,
"sondern stets nur eine, später etwa wieder eine."

Mein Gastfreund schien wirklich Freude an der
Blume zu haben, ebenso auch Mathilde. Natalie

Sofort erhob man ſich von dem Tiſche, und rüſtete
ſich zu dem Gange in die Gewächshäuſer. Simon
hatte alles andere um die Stelle des Peruvianus,
der in ein eigenes Glashäuschen hinein ragte, ent¬
fernt, und Plaz zum Betrachten der Pflanze gemacht.
Die Blume war, da wir hinkamen bereits offen. Eine
große weiße prachtvolle fremdartige Blume. Alles
war einſtimmig im Lobe derſelben.

„So viele Menſchen den Peruvianus haben,“
ſagte Simon, „denn gar ſelten iſt er eben nicht, ſo
mächtig groß ſie auch ſeinen Stamm ziehen, ſo ſelten
bringen ſie ihn zur Blüthe. Wenige Menſchen in Eu¬
ropa haben dieſe weiße Blume geſehen. Jezt öffnet
ſie ſich, morgen mit Tagesanbruch iſt ſie hin. Sie iſt
koſtbar mit ihrer Gegenwart. Mir iſt es geglückt, ſie
blühen zu machen — und gerade heute. — Es iſt ein
Glück, das die wahrſte Freude hervorbringen muß.“

Wir blieben ziemlich lange, und erwarteten das
völlige Entfalten.

„Es kommen auch nicht viele Blumen wie bei
gemeinen Gewächſen hervor,“ ſagte Simon wieder,
„ſondern ſtets nur eine, ſpäter etwa wieder eine.“

Mein Gaſtfreund ſchien wirklich Freude an der
Blume zu haben, ebenſo auch Mathilde. Natalie

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[426/0440] Sofort erhob man ſich von dem Tiſche, und rüſtete ſich zu dem Gange in die Gewächshäuſer. Simon hatte alles andere um die Stelle des Peruvianus, der in ein eigenes Glashäuschen hinein ragte, ent¬ fernt, und Plaz zum Betrachten der Pflanze gemacht. Die Blume war, da wir hinkamen bereits offen. Eine große weiße prachtvolle fremdartige Blume. Alles war einſtimmig im Lobe derſelben. „So viele Menſchen den Peruvianus haben,“ ſagte Simon, „denn gar ſelten iſt er eben nicht, ſo mächtig groß ſie auch ſeinen Stamm ziehen, ſo ſelten bringen ſie ihn zur Blüthe. Wenige Menſchen in Eu¬ ropa haben dieſe weiße Blume geſehen. Jezt öffnet ſie ſich, morgen mit Tagesanbruch iſt ſie hin. Sie iſt koſtbar mit ihrer Gegenwart. Mir iſt es geglückt, ſie blühen zu machen — und gerade heute. — Es iſt ein Glück, das die wahrſte Freude hervorbringen muß.“ Wir blieben ziemlich lange, und erwarteten das völlige Entfalten. „Es kommen auch nicht viele Blumen wie bei gemeinen Gewächſen hervor,“ ſagte Simon wieder, „ſondern ſtets nur eine, ſpäter etwa wieder eine.“ Mein Gaſtfreund ſchien wirklich Freude an der Blume zu haben, ebenſo auch Mathilde. Natalie

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/440>, abgerufen am 18.05.2024.