Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

Bei dem Smaragdschmucke hatte sich etwas Auf¬
fälliges ereignet. Von ihm waren die Ohrgehänge
im Fache zurückgeblieben. Der Diamantschmuck ent¬
hielt keine Ohrgehänge. Mathilde und Natalie tru¬
gen Ohrgehänge nicht, weil nach ihrer Meinung der
Schmuck dem Körper dienen soll. Wenn aber der
Körper verwundet wird, um Schmuck in die Ver¬
lezung zu hängen, werde er Diener des Schmuckes.

Als noch immer von den Steinen gesprochen
wurde, was ihre Bestimmung sei, und wie sie sich
auf dem Körper ganz anders ansehen lassen als in
ihrem Fache, sagte Eustach etwas, das mir als sehr
wahr erschien: "Was die innere Bestimmung der
Edelsteine ist," sprach er, "kann nach meiner Meinung
niemand wissen: für den Menschen sind sie als
Schmuck an seinem Körper am schönsten, und zwar
zuerst an den Theilen, die er entblößt trägt, dann
aber an seinem Gewande, und an allem, was sonst
mit ihm in Berührung kommt wie Königskronen
Waffen. An bloßen Geräthen, wie wichtig sie sind,
erscheinen die Steine als todt, und an Thieren sind
sie entwürdigt."

Man sprach noch länger über diesen Gegenstand,
und erläuterte ihn durch Beispiele.

Bei dem Smaragdſchmucke hatte ſich etwas Auf¬
fälliges ereignet. Von ihm waren die Ohrgehänge
im Fache zurückgeblieben. Der Diamantſchmuck ent¬
hielt keine Ohrgehänge. Mathilde und Natalie tru¬
gen Ohrgehänge nicht, weil nach ihrer Meinung der
Schmuck dem Körper dienen ſoll. Wenn aber der
Körper verwundet wird, um Schmuck in die Ver¬
lezung zu hängen, werde er Diener des Schmuckes.

Als noch immer von den Steinen geſprochen
wurde, was ihre Beſtimmung ſei, und wie ſie ſich
auf dem Körper ganz anders anſehen laſſen als in
ihrem Fache, ſagte Euſtach etwas, das mir als ſehr
wahr erſchien: „Was die innere Beſtimmung der
Edelſteine iſt,“ ſprach er, „kann nach meiner Meinung
niemand wiſſen: für den Menſchen ſind ſie als
Schmuck an ſeinem Körper am ſchönſten, und zwar
zuerſt an den Theilen, die er entblößt trägt, dann
aber an ſeinem Gewande, und an allem, was ſonſt
mit ihm in Berührung kommt wie Königskronen
Waffen. An bloßen Geräthen, wie wichtig ſie ſind,
erſcheinen die Steine als todt, und an Thieren ſind
ſie entwürdigt.“

Man ſprach noch länger über dieſen Gegenſtand,
und erläuterte ihn durch Beiſpiele.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0437" n="423"/>
        <p>Bei dem Smaragd&#x017F;chmucke hatte &#x017F;ich etwas Auf¬<lb/>
fälliges ereignet. Von ihm waren die Ohrgehänge<lb/>
im Fache zurückgeblieben. Der Diamant&#x017F;chmuck ent¬<lb/>
hielt keine Ohrgehänge. Mathilde und Natalie tru¬<lb/>
gen Ohrgehänge nicht, weil nach ihrer Meinung der<lb/>
Schmuck dem Körper dienen &#x017F;oll. Wenn aber der<lb/>
Körper verwundet wird, um Schmuck in die Ver¬<lb/>
lezung zu hängen, werde er Diener des Schmuckes.</p><lb/>
        <p>Als noch immer von den Steinen ge&#x017F;prochen<lb/>
wurde, was ihre Be&#x017F;timmung &#x017F;ei, und wie &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
auf dem Körper ganz anders an&#x017F;ehen la&#x017F;&#x017F;en als in<lb/>
ihrem Fache, &#x017F;agte Eu&#x017F;tach etwas, das mir als &#x017F;ehr<lb/>
wahr er&#x017F;chien: &#x201E;Was die innere Be&#x017F;timmung der<lb/>
Edel&#x017F;teine i&#x017F;t,&#x201C; &#x017F;prach er, &#x201E;kann nach meiner Meinung<lb/>
niemand wi&#x017F;&#x017F;en: für den Men&#x017F;chen &#x017F;ind &#x017F;ie als<lb/>
Schmuck an &#x017F;einem Körper am &#x017F;chön&#x017F;ten, und zwar<lb/>
zuer&#x017F;t an den Theilen, die er entblößt trägt, dann<lb/>
aber an &#x017F;einem Gewande, und an allem, was &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
mit ihm in Berührung kommt wie Königskronen<lb/>
Waffen. An bloßen Geräthen, wie wichtig &#x017F;ie &#x017F;ind,<lb/>
er&#x017F;cheinen die Steine als todt, und an Thieren &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;ie entwürdigt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Man &#x017F;prach noch länger über die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand,<lb/>
und erläuterte ihn durch Bei&#x017F;piele.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[423/0437] Bei dem Smaragdſchmucke hatte ſich etwas Auf¬ fälliges ereignet. Von ihm waren die Ohrgehänge im Fache zurückgeblieben. Der Diamantſchmuck ent¬ hielt keine Ohrgehänge. Mathilde und Natalie tru¬ gen Ohrgehänge nicht, weil nach ihrer Meinung der Schmuck dem Körper dienen ſoll. Wenn aber der Körper verwundet wird, um Schmuck in die Ver¬ lezung zu hängen, werde er Diener des Schmuckes. Als noch immer von den Steinen geſprochen wurde, was ihre Beſtimmung ſei, und wie ſie ſich auf dem Körper ganz anders anſehen laſſen als in ihrem Fache, ſagte Euſtach etwas, das mir als ſehr wahr erſchien: „Was die innere Beſtimmung der Edelſteine iſt,“ ſprach er, „kann nach meiner Meinung niemand wiſſen: für den Menſchen ſind ſie als Schmuck an ſeinem Körper am ſchönſten, und zwar zuerſt an den Theilen, die er entblößt trägt, dann aber an ſeinem Gewande, und an allem, was ſonſt mit ihm in Berührung kommt wie Königskronen Waffen. An bloßen Geräthen, wie wichtig ſie ſind, erſcheinen die Steine als todt, und an Thieren ſind ſie entwürdigt.“ Man ſprach noch länger über dieſen Gegenſtand, und erläuterte ihn durch Beiſpiele.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/437
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/437>, abgerufen am 25.11.2024.