Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

heute mit einem sehr schönen Teppiche ganz über¬
spannt. Auch Eustach und Roland waren zu der Ver¬
sammlung eingeladen worden.

Als sich alle eingefunden hatten, stand mein Gast¬
freund, welcher so festlich angezogen war wie wir,
auf, und sprach: "Ich richte noch einmal an alle,
welche gekommen sind, den Empfangsgruß innerhalb
der Wände dieses Hauses. Es ist ein schöner Tag.
Wenn gleich mancher liebe Freund und gewissermassen
Schlachtkamerade, den ich noch besize, nicht hier ist,
so kann eben nicht immer alles, was man liebt, ver¬
sammelt sein. Das Eigentliche ist hier, ist aus einem
lieben Anlasse hier, aus welchem ein noch schönerer
Tag für manche hervorgehen kann. Ihr sehr hochge¬
ehrte Frau, die Mutter des jungen Mannes, welcher
zu verschiedenen Malen unter dem Dache dieses Hau¬
ses gewohnt hat, seid dem Hause willkommen. Es
hat euren Namen oft gehört und die Namen eurer
Tugenden, und wenn der Schall der Rede oft auch
ganz Anderes zu verkünden schien, so gingen unbe¬
wußt eure Eigenschaften daraus hervor, sammelten
sich hier, und erzeugten Ehrerbiethung und, erlaubt
einem alten Manne das Wort, Liebe. Ihr, mein
edler Freund -- gönnt mir den Namen auch, den ich

heute mit einem ſehr ſchönen Teppiche ganz über¬
ſpannt. Auch Euſtach und Roland waren zu der Ver¬
ſammlung eingeladen worden.

Als ſich alle eingefunden hatten, ſtand mein Gaſt¬
freund, welcher ſo feſtlich angezogen war wie wir,
auf, und ſprach: „Ich richte noch einmal an alle,
welche gekommen ſind, den Empfangsgruß innerhalb
der Wände dieſes Hauſes. Es iſt ein ſchöner Tag.
Wenn gleich mancher liebe Freund und gewiſſermaſſen
Schlachtkamerade, den ich noch beſize, nicht hier iſt,
ſo kann eben nicht immer alles, was man liebt, ver¬
ſammelt ſein. Das Eigentliche iſt hier, iſt aus einem
lieben Anlaſſe hier, aus welchem ein noch ſchönerer
Tag für manche hervorgehen kann. Ihr ſehr hochge¬
ehrte Frau, die Mutter des jungen Mannes, welcher
zu verſchiedenen Malen unter dem Dache dieſes Hau¬
ſes gewohnt hat, ſeid dem Hauſe willkommen. Es
hat euren Namen oft gehört und die Namen eurer
Tugenden, und wenn der Schall der Rede oft auch
ganz Anderes zu verkünden ſchien, ſo gingen unbe¬
wußt eure Eigenſchaften daraus hervor, ſammelten
ſich hier, und erzeugten Ehrerbiethung und, erlaubt
einem alten Manne das Wort, Liebe. Ihr, mein
edler Freund — gönnt mir den Namen auch, den ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0393" n="379"/>
heute mit einem &#x017F;ehr &#x017F;chönen Teppiche ganz über¬<lb/>
&#x017F;pannt. Auch Eu&#x017F;tach und Roland waren zu der Ver¬<lb/>
&#x017F;ammlung eingeladen worden.</p><lb/>
        <p>Als &#x017F;ich alle eingefunden hatten, &#x017F;tand mein Ga&#x017F;<lb/>
freund, welcher &#x017F;o fe&#x017F;tlich angezogen war wie wir,<lb/>
auf, und &#x017F;prach: &#x201E;Ich richte noch einmal an alle,<lb/>
welche gekommen &#x017F;ind, den Empfangsgruß innerhalb<lb/>
der Wände die&#x017F;es Hau&#x017F;es. Es i&#x017F;t ein &#x017F;chöner Tag.<lb/>
Wenn gleich mancher liebe Freund und gewi&#x017F;&#x017F;erma&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Schlachtkamerade, den ich noch be&#x017F;ize, nicht hier i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o kann eben nicht immer alles, was man liebt, ver¬<lb/>
&#x017F;ammelt &#x017F;ein. Das Eigentliche i&#x017F;t hier, i&#x017F;t aus einem<lb/>
lieben Anla&#x017F;&#x017F;e hier, aus welchem ein noch &#x017F;chönerer<lb/>
Tag für manche hervorgehen kann. Ihr &#x017F;ehr hochge¬<lb/>
ehrte Frau, die Mutter des jungen Mannes, welcher<lb/>
zu ver&#x017F;chiedenen Malen unter dem Dache die&#x017F;es Hau¬<lb/>
&#x017F;es gewohnt hat, &#x017F;eid dem Hau&#x017F;e willkommen. Es<lb/>
hat euren Namen oft gehört und die Namen eurer<lb/>
Tugenden, und wenn der Schall der Rede oft auch<lb/>
ganz Anderes zu verkünden &#x017F;chien, &#x017F;o gingen unbe¬<lb/>
wußt eure Eigen&#x017F;chaften daraus hervor, &#x017F;ammelten<lb/>
&#x017F;ich hier, und erzeugten Ehrerbiethung und, erlaubt<lb/>
einem alten Manne das Wort, Liebe. Ihr, mein<lb/>
edler Freund &#x2014; gönnt mir den Namen auch, den ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379/0393] heute mit einem ſehr ſchönen Teppiche ganz über¬ ſpannt. Auch Euſtach und Roland waren zu der Ver¬ ſammlung eingeladen worden. Als ſich alle eingefunden hatten, ſtand mein Gaſt¬ freund, welcher ſo feſtlich angezogen war wie wir, auf, und ſprach: „Ich richte noch einmal an alle, welche gekommen ſind, den Empfangsgruß innerhalb der Wände dieſes Hauſes. Es iſt ein ſchöner Tag. Wenn gleich mancher liebe Freund und gewiſſermaſſen Schlachtkamerade, den ich noch beſize, nicht hier iſt, ſo kann eben nicht immer alles, was man liebt, ver¬ ſammelt ſein. Das Eigentliche iſt hier, iſt aus einem lieben Anlaſſe hier, aus welchem ein noch ſchönerer Tag für manche hervorgehen kann. Ihr ſehr hochge¬ ehrte Frau, die Mutter des jungen Mannes, welcher zu verſchiedenen Malen unter dem Dache dieſes Hau¬ ſes gewohnt hat, ſeid dem Hauſe willkommen. Es hat euren Namen oft gehört und die Namen eurer Tugenden, und wenn der Schall der Rede oft auch ganz Anderes zu verkünden ſchien, ſo gingen unbe¬ wußt eure Eigenſchaften daraus hervor, ſammelten ſich hier, und erzeugten Ehrerbiethung und, erlaubt einem alten Manne das Wort, Liebe. Ihr, mein edler Freund — gönnt mir den Namen auch, den ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/393
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/393>, abgerufen am 22.05.2024.