Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

""Ein Mädchen, welches mehrere Jahre älter ist
als der Knabe,"" erwiederte sie, ""ich werde dir das¬
selbe auch bringen, es hat ebenfalls die schwarzen
Augen und die braunen Haare wie ich. Das Mäd¬
chen behalte ich, den Knaben lasse, weil du so gütig
bist, um dich leben, so lange du willst. Er möge wer¬
den wie du. O ich hatte kaum geahnt, wie hier alles
werden wird.""

""Mathilde, beruhige dich jezt,"" sagte ich, ""ich
werde den Knaben holen, wir werden mit ihm freund¬
lich sprechen.""

"Ich that es, trat mit dem Knaben an der Hand
herein, und wir sprachen mit dem Kinde und abwech¬
selnd unter uns noch eine geraume Weile. Ich zeigte
Mathilden hierauf das Haus den Garten den Meier¬
hof und alles Andere. Gegen Abend fuhr sie wieder
fort, um in Rohrberg zu übernachten. Den Knaben
sollte sie der Verabredung gemäß wieder mit sich neh¬
men, ihn ausrüsten und vorbereiten, und ihn, wie sie
es für gelegen halte, bringen. Wir blieben von dem
Augenblicke an in Briefwechsel, und als eine Zeit
vergangen war, brachte sie mir Gustav, der noch bei
mir ist, sie brachte mir auch Natalien, die damals im
ersten Aufblühen begriffen war. Eine größere Gleich¬

„„Ein Mädchen, welches mehrere Jahre älter iſt
als der Knabe,““ erwiederte ſie, „„ich werde dir das¬
ſelbe auch bringen, es hat ebenfalls die ſchwarzen
Augen und die braunen Haare wie ich. Das Mäd¬
chen behalte ich, den Knaben laſſe, weil du ſo gütig
biſt, um dich leben, ſo lange du willſt. Er möge wer¬
den wie du. O ich hatte kaum geahnt, wie hier alles
werden wird.““

„„Mathilde, beruhige dich jezt,““ ſagte ich, „„ich
werde den Knaben holen, wir werden mit ihm freund¬
lich ſprechen.““

„Ich that es, trat mit dem Knaben an der Hand
herein, und wir ſprachen mit dem Kinde und abwech¬
ſelnd unter uns noch eine geraume Weile. Ich zeigte
Mathilden hierauf das Haus den Garten den Meier¬
hof und alles Andere. Gegen Abend fuhr ſie wieder
fort, um in Rohrberg zu übernachten. Den Knaben
ſollte ſie der Verabredung gemäß wieder mit ſich neh¬
men, ihn ausrüſten und vorbereiten, und ihn, wie ſie
es für gelegen halte, bringen. Wir blieben von dem
Augenblicke an in Briefwechſel, und als eine Zeit
vergangen war, brachte ſie mir Guſtav, der noch bei
mir iſt, ſie brachte mir auch Natalien, die damals im
erſten Aufblühen begriffen war. Eine größere Gleich¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0359" n="345"/>
        <p>&#x201E;&#x201E;Ein Mädchen, welches mehrere Jahre älter i&#x017F;t<lb/>
als der Knabe,&#x201C;&#x201C; erwiederte &#x017F;ie, &#x201E;&#x201E;ich werde dir das¬<lb/>
&#x017F;elbe auch bringen, es hat ebenfalls die &#x017F;chwarzen<lb/>
Augen und die braunen Haare wie ich. Das Mäd¬<lb/>
chen behalte ich, den Knaben la&#x017F;&#x017F;e, weil du &#x017F;o gütig<lb/>
bi&#x017F;t, um dich leben, &#x017F;o lange du will&#x017F;t. Er möge wer¬<lb/>
den wie du. O ich hatte kaum geahnt, wie hier alles<lb/>
werden wird.&#x201C;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;&#x201E;Mathilde, beruhige dich jezt,&#x201C;&#x201C; &#x017F;agte ich, &#x201E;&#x201E;ich<lb/>
werde den Knaben holen, wir werden mit ihm freund¬<lb/>
lich &#x017F;prechen.&#x201C;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich that es, trat mit dem Knaben an der Hand<lb/>
herein, und wir &#x017F;prachen mit dem Kinde und abwech¬<lb/>
&#x017F;elnd unter uns noch eine geraume Weile. Ich zeigte<lb/>
Mathilden hierauf das Haus den Garten den Meier¬<lb/>
hof und alles Andere. Gegen Abend fuhr &#x017F;ie wieder<lb/>
fort, um in Rohrberg zu übernachten. Den Knaben<lb/>
&#x017F;ollte &#x017F;ie der Verabredung gemäß wieder mit &#x017F;ich neh¬<lb/>
men, ihn ausrü&#x017F;ten und vorbereiten, und ihn, wie &#x017F;ie<lb/>
es für gelegen halte, bringen. Wir blieben von dem<lb/>
Augenblicke an in Briefwech&#x017F;el, und als eine Zeit<lb/>
vergangen war, brachte &#x017F;ie mir Gu&#x017F;tav, der noch bei<lb/>
mir i&#x017F;t, &#x017F;ie brachte mir auch Natalien, die damals im<lb/>
er&#x017F;ten Aufblühen begriffen war. Eine größere Gleich¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0359] „„Ein Mädchen, welches mehrere Jahre älter iſt als der Knabe,““ erwiederte ſie, „„ich werde dir das¬ ſelbe auch bringen, es hat ebenfalls die ſchwarzen Augen und die braunen Haare wie ich. Das Mäd¬ chen behalte ich, den Knaben laſſe, weil du ſo gütig biſt, um dich leben, ſo lange du willſt. Er möge wer¬ den wie du. O ich hatte kaum geahnt, wie hier alles werden wird.““ „„Mathilde, beruhige dich jezt,““ ſagte ich, „„ich werde den Knaben holen, wir werden mit ihm freund¬ lich ſprechen.““ „Ich that es, trat mit dem Knaben an der Hand herein, und wir ſprachen mit dem Kinde und abwech¬ ſelnd unter uns noch eine geraume Weile. Ich zeigte Mathilden hierauf das Haus den Garten den Meier¬ hof und alles Andere. Gegen Abend fuhr ſie wieder fort, um in Rohrberg zu übernachten. Den Knaben ſollte ſie der Verabredung gemäß wieder mit ſich neh¬ men, ihn ausrüſten und vorbereiten, und ihn, wie ſie es für gelegen halte, bringen. Wir blieben von dem Augenblicke an in Briefwechſel, und als eine Zeit vergangen war, brachte ſie mir Guſtav, der noch bei mir iſt, ſie brachte mir auch Natalien, die damals im erſten Aufblühen begriffen war. Eine größere Gleich¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/359
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/359>, abgerufen am 21.05.2024.