Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

könnte, wenn ihr es auch über euch vermöchtet, von
dem Vermögen eurer Gattin wenigstens eine Zeit hin¬
durch zu leben, was ich bezweifle, so wäre damit doch
noch nichts gewonnen, da Mathilde, wie ich sagte,
die bei weitem größere Zahl von Eigenschaften noch
nicht besizt, welche eine Gattin und Mutter besi¬
zen muß, da sie ferner nach den Ansichten, die wir
über das körperliche Wohl unserer Kinder für unsere
Pflicht halten, wenigstens vor sechs oder sieben Jah¬
ren sich nicht vermählen kann, und da also die Unsi¬
cherheit und Gefahr, wie ich früher sprach, auch bei
dieser eurer Behauptung für sie und euch vorhanden
wären. Da die Kinder in dem Alter Mathildens
ihren Eltern ohne Bedingung zu folgen haben, und
da gute Kinder, wozu ich Mathilden zähle, auch wenn
es ihrem Herzen Schmerz macht, gerne folgen, weil
sie der Liebe und der bessern Einsicht der Eltern ver¬
trauen: so hätte ich nur sagen dürfen, mein Gatte
und ich erkennen, daß zum Wohle Mathildens das
Band, das sie geschlungen hat, nicht fortdauern dürfe,
und daß sie daher dasselbe abbrechen möge; allein ich
habe euch die Gründe unserer Ansicht entwickelt, weil
ich euch hochachte, und weil ich auch gesehen habe,
daß ihr mir zugethan seid, wie ja auch euer Geständ¬

könnte, wenn ihr es auch über euch vermöchtet, von
dem Vermögen eurer Gattin wenigſtens eine Zeit hin¬
durch zu leben, was ich bezweifle, ſo wäre damit doch
noch nichts gewonnen, da Mathilde, wie ich ſagte,
die bei weitem größere Zahl von Eigenſchaften noch
nicht beſizt, welche eine Gattin und Mutter beſi¬
zen muß, da ſie ferner nach den Anſichten, die wir
über das körperliche Wohl unſerer Kinder für unſere
Pflicht halten, wenigſtens vor ſechs oder ſieben Jah¬
ren ſich nicht vermählen kann, und da alſo die Unſi¬
cherheit und Gefahr, wie ich früher ſprach, auch bei
dieſer eurer Behauptung für ſie und euch vorhanden
wären. Da die Kinder in dem Alter Mathildens
ihren Eltern ohne Bedingung zu folgen haben, und
da gute Kinder, wozu ich Mathilden zähle, auch wenn
es ihrem Herzen Schmerz macht, gerne folgen, weil
ſie der Liebe und der beſſern Einſicht der Eltern ver¬
trauen: ſo hätte ich nur ſagen dürfen, mein Gatte
und ich erkennen, daß zum Wohle Mathildens das
Band, das ſie geſchlungen hat, nicht fortdauern dürfe,
und daß ſie daher dasſelbe abbrechen möge; allein ich
habe euch die Gründe unſerer Anſicht entwickelt, weil
ich euch hochachte, und weil ich auch geſehen habe,
daß ihr mir zugethan ſeid, wie ja auch euer Geſtänd¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0324" n="310"/>
könnte, wenn ihr es auch über euch vermöchtet, von<lb/>
dem Vermögen eurer Gattin wenig&#x017F;tens eine Zeit hin¬<lb/>
durch zu leben, was ich bezweifle, &#x017F;o wäre damit doch<lb/>
noch nichts gewonnen, da Mathilde, wie ich &#x017F;agte,<lb/>
die bei weitem größere Zahl von Eigen&#x017F;chaften noch<lb/>
nicht be&#x017F;izt, welche eine Gattin und Mutter be&#x017F;<lb/>
zen muß, da &#x017F;ie ferner nach den An&#x017F;ichten, die wir<lb/>
über das körperliche Wohl un&#x017F;erer Kinder für un&#x017F;ere<lb/>
Pflicht halten, wenig&#x017F;tens vor &#x017F;echs oder &#x017F;ieben Jah¬<lb/>
ren &#x017F;ich nicht vermählen kann, und da al&#x017F;o die Un&#x017F;<lb/>
cherheit und Gefahr, wie ich früher &#x017F;prach, auch bei<lb/>
die&#x017F;er eurer Behauptung für &#x017F;ie und euch vorhanden<lb/>
wären. Da die Kinder in dem Alter Mathildens<lb/>
ihren Eltern ohne Bedingung zu folgen haben, und<lb/>
da gute Kinder, wozu ich Mathilden zähle, auch wenn<lb/>
es ihrem Herzen Schmerz macht, gerne folgen, weil<lb/>
&#x017F;ie der Liebe und der be&#x017F;&#x017F;ern Ein&#x017F;icht der Eltern ver¬<lb/>
trauen: &#x017F;o hätte ich nur &#x017F;agen dürfen, mein Gatte<lb/>
und ich erkennen, daß zum Wohle Mathildens das<lb/>
Band, das &#x017F;ie ge&#x017F;chlungen hat, nicht fortdauern dürfe,<lb/>
und daß &#x017F;ie daher das&#x017F;elbe abbrechen möge; allein ich<lb/>
habe euch die Gründe un&#x017F;erer An&#x017F;icht entwickelt, weil<lb/>
ich euch hochachte, und weil ich auch ge&#x017F;ehen habe,<lb/>
daß ihr mir zugethan &#x017F;eid, wie ja auch euer Ge&#x017F;tänd¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[310/0324] könnte, wenn ihr es auch über euch vermöchtet, von dem Vermögen eurer Gattin wenigſtens eine Zeit hin¬ durch zu leben, was ich bezweifle, ſo wäre damit doch noch nichts gewonnen, da Mathilde, wie ich ſagte, die bei weitem größere Zahl von Eigenſchaften noch nicht beſizt, welche eine Gattin und Mutter beſi¬ zen muß, da ſie ferner nach den Anſichten, die wir über das körperliche Wohl unſerer Kinder für unſere Pflicht halten, wenigſtens vor ſechs oder ſieben Jah¬ ren ſich nicht vermählen kann, und da alſo die Unſi¬ cherheit und Gefahr, wie ich früher ſprach, auch bei dieſer eurer Behauptung für ſie und euch vorhanden wären. Da die Kinder in dem Alter Mathildens ihren Eltern ohne Bedingung zu folgen haben, und da gute Kinder, wozu ich Mathilden zähle, auch wenn es ihrem Herzen Schmerz macht, gerne folgen, weil ſie der Liebe und der beſſern Einſicht der Eltern ver¬ trauen: ſo hätte ich nur ſagen dürfen, mein Gatte und ich erkennen, daß zum Wohle Mathildens das Band, das ſie geſchlungen hat, nicht fortdauern dürfe, und daß ſie daher dasſelbe abbrechen möge; allein ich habe euch die Gründe unſerer Anſicht entwickelt, weil ich euch hochachte, und weil ich auch geſehen habe, daß ihr mir zugethan ſeid, wie ja auch euer Geſtänd¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/324
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/324>, abgerufen am 25.11.2024.