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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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kung des Weges nicht mehr hinunter, weil ich nicht
thalwärts kommen wollte, wo die Blicke beengt sind.

Ich wendete mich um, und hatte den Anblick des
Schlosses vor mir, welches jezt von solcher Bedeu¬
tung für mich geworden war. Die Fenster schimmer¬
ten in dem Glanze der Sonne, das Grau der von
der Tünche befreiten südlichen Mauer schaute sanft
zu mir herüber, das dunkle Dach hob sich von der
Bläue der nördlichen Luft ab, und ein leichter Rauch
stieg von einigen seiner Schornsteine auf.

Ich ging langsam auf dem Rücken des Feldes
an den Obstbäumen vorüber meines Weges zurück,
bis er sachte gegen das Schloß abwärts zu gehen
begann.

An dieser Stelle sah ich jezt, daß mir eine Gestalt,
welche mir früher durch Baumkronen verdeckt gewesen
sein mochte, entgegen kam, welche die Gestalt Nata¬
liens war. Wir gingen beide schneller, als wir uns
erblickten, um uns früher zu erreichen. Da wir nun
zusammen trafen, blickte mich Natalie mit ihren gro¬
ßen dunkeln Augen freundlich an, und reichte mir die
Hand. Ich empfing sie, drückte sie herzlich, und sagte
einen innigen Gruß.

"Es ist recht schön," sprach sie, "daß wir gleich¬

kung des Weges nicht mehr hinunter, weil ich nicht
thalwärts kommen wollte, wo die Blicke beengt ſind.

Ich wendete mich um, und hatte den Anblick des
Schloſſes vor mir, welches jezt von ſolcher Bedeu¬
tung für mich geworden war. Die Fenſter ſchimmer¬
ten in dem Glanze der Sonne, das Grau der von
der Tünche befreiten ſüdlichen Mauer ſchaute ſanft
zu mir herüber, das dunkle Dach hob ſich von der
Bläue der nördlichen Luft ab, und ein leichter Rauch
ſtieg von einigen ſeiner Schornſteine auf.

Ich ging langſam auf dem Rücken des Feldes
an den Obſtbäumen vorüber meines Weges zurück,
bis er ſachte gegen das Schloß abwärts zu gehen
begann.

An dieſer Stelle ſah ich jezt, daß mir eine Geſtalt,
welche mir früher durch Baumkronen verdeckt geweſen
ſein mochte, entgegen kam, welche die Geſtalt Nata¬
liens war. Wir gingen beide ſchneller, als wir uns
erblickten, um uns früher zu erreichen. Da wir nun
zuſammen trafen, blickte mich Natalie mit ihren gro¬
ßen dunkeln Augen freundlich an, und reichte mir die
Hand. Ich empfing ſie, drückte ſie herzlich, und ſagte
einen innigen Gruß.

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[15/0029] kung des Weges nicht mehr hinunter, weil ich nicht thalwärts kommen wollte, wo die Blicke beengt ſind. Ich wendete mich um, und hatte den Anblick des Schloſſes vor mir, welches jezt von ſolcher Bedeu¬ tung für mich geworden war. Die Fenſter ſchimmer¬ ten in dem Glanze der Sonne, das Grau der von der Tünche befreiten ſüdlichen Mauer ſchaute ſanft zu mir herüber, das dunkle Dach hob ſich von der Bläue der nördlichen Luft ab, und ein leichter Rauch ſtieg von einigen ſeiner Schornſteine auf. Ich ging langſam auf dem Rücken des Feldes an den Obſtbäumen vorüber meines Weges zurück, bis er ſachte gegen das Schloß abwärts zu gehen begann. An dieſer Stelle ſah ich jezt, daß mir eine Geſtalt, welche mir früher durch Baumkronen verdeckt geweſen ſein mochte, entgegen kam, welche die Geſtalt Nata¬ liens war. Wir gingen beide ſchneller, als wir uns erblickten, um uns früher zu erreichen. Da wir nun zuſammen trafen, blickte mich Natalie mit ihren gro¬ ßen dunkeln Augen freundlich an, und reichte mir die Hand. Ich empfing ſie, drückte ſie herzlich, und ſagte einen innigen Gruß. „Es iſt recht ſchön,“ ſprach ſie, „daß wir gleich¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/29>, abgerufen am 20.04.2024.