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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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sah auch die Berghäupter an dem Kargrat, wo ich
zulezt gearbeitet hatte. Mir war, als wäre es schon
viele Jahre, seit ich in jenen Eisfeldern und Schnee¬
gründen gewesen war. Ich ließ, während ich so da¬
stand, die milde Luft den Glanz der Sonne und das
Prangen der Dinge auf mich wirken. Sonst hatte
ich immer irgend ein Buch in meine Tasche gesteckt,
wenn ich in der Gegend herum gehen wollte; heute
hatte ich es nicht gethan. Mir war jezt nicht, als
sollte ich irgend ein Buch lesen. Ich ging nach einer
Weile wieder an den Bäumen dahin, an denen schon
die mannigfaltigen Äpfel hingen, die jeder nach
seiner Art brachte, und die schon hie und da ihre
eigenthümliche Farbe zu erhalten begannen. Ich
ging so lange auf der Anhöhe des Felderrückens
fort, bis sie sich leicht zu senken anfing, über welche
Senkung der Weg noch hinabgeht, um in dem
Thale an der Grenze eines fremden Gutes zu enden,
oder vielmehr in einen anderen Weg überzugehen, der
die Eigenschaften aller jener Fußwege hat, die in un¬
zähligen Richtungen unser Land durchziehen, und auf
deren taugliche Beschaffenheit, Verbesserung oder
Verschönerung niemand denkt. Ich ging auf der Sen¬

ſah auch die Berghäupter an dem Kargrat, wo ich
zulezt gearbeitet hatte. Mir war, als wäre es ſchon
viele Jahre, ſeit ich in jenen Eisfeldern und Schnee¬
gründen geweſen war. Ich ließ, während ich ſo da¬
ſtand, die milde Luft den Glanz der Sonne und das
Prangen der Dinge auf mich wirken. Sonſt hatte
ich immer irgend ein Buch in meine Taſche geſteckt,
wenn ich in der Gegend herum gehen wollte; heute
hatte ich es nicht gethan. Mir war jezt nicht, als
ſollte ich irgend ein Buch leſen. Ich ging nach einer
Weile wieder an den Bäumen dahin, an denen ſchon
die mannigfaltigen Äpfel hingen, die jeder nach
ſeiner Art brachte, und die ſchon hie und da ihre
eigenthümliche Farbe zu erhalten begannen. Ich
ging ſo lange auf der Anhöhe des Felderrückens
fort, bis ſie ſich leicht zu ſenken anfing, über welche
Senkung der Weg noch hinabgeht, um in dem
Thale an der Grenze eines fremden Gutes zu enden,
oder vielmehr in einen anderen Weg überzugehen, der
die Eigenſchaften aller jener Fußwege hat, die in un¬
zähligen Richtungen unſer Land durchziehen, und auf
deren taugliche Beſchaffenheit, Verbeſſerung oder
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[14/0028] ſah auch die Berghäupter an dem Kargrat, wo ich zulezt gearbeitet hatte. Mir war, als wäre es ſchon viele Jahre, ſeit ich in jenen Eisfeldern und Schnee¬ gründen geweſen war. Ich ließ, während ich ſo da¬ ſtand, die milde Luft den Glanz der Sonne und das Prangen der Dinge auf mich wirken. Sonſt hatte ich immer irgend ein Buch in meine Taſche geſteckt, wenn ich in der Gegend herum gehen wollte; heute hatte ich es nicht gethan. Mir war jezt nicht, als ſollte ich irgend ein Buch leſen. Ich ging nach einer Weile wieder an den Bäumen dahin, an denen ſchon die mannigfaltigen Äpfel hingen, die jeder nach ſeiner Art brachte, und die ſchon hie und da ihre eigenthümliche Farbe zu erhalten begannen. Ich ging ſo lange auf der Anhöhe des Felderrückens fort, bis ſie ſich leicht zu ſenken anfing, über welche Senkung der Weg noch hinabgeht, um in dem Thale an der Grenze eines fremden Gutes zu enden, oder vielmehr in einen anderen Weg überzugehen, der die Eigenſchaften aller jener Fußwege hat, die in un¬ zähligen Richtungen unſer Land durchziehen, und auf deren taugliche Beſchaffenheit, Verbeſſerung oder Verſchönerung niemand denkt. Ich ging auf der Sen¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/28>, abgerufen am 24.04.2024.