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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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hinaus gehen, mit jedem Tropfen meines Blutes mit
jeder Faser meines Herzens sie lieben werde, sie möge
leben oder todt sein, und daß ich sie fort und fort durch
alle Zeiten in der tiefsten Seele meiner Seele tragen
werde. Es erschien mir als das süßeste Gefühl, sie nicht
nur in diesem Leben sondern in tausend Leben, die
nach tausend Toden folgen mögen, immer lieben
zu können. Wie viel hatte ich in der Welt gesehen,
wie viel hatte mich erfreut, an wie Vielem hatte ich
Wohlgefallen gehabt: und wie ist jezt Alles nichts,
und wie ist es das höchste Glück, eine reine tiefe
schöne menschliche Seele ganz sein eigen nennen zu
können, ganz sein eigen.

Ich ging durch das Pförtchen hinaus, das ich
nur angelehnt fand, und ging auf dem Wege fort,
der an dieser Seite vor dem Schlosse vorbei führt,
und dann in die Felder hinaus geht. Er ist breit,
mit feinem Sande belegt, und eignet sich daher seiner
Trockenheit willen ganz besonders zu Morgenspazier¬
gängen. Er ist von dem vorigen Besizer des Schlosses
angelegt und von Mathilden verbessert worden. Er
geht von dem Pförtchen nach beiden Richtungen nach
Norden und nach Süden ziemlich weit fort, und
bildet auf diese Weise zu dem Schlosse eine Berüh¬

hinaus gehen, mit jedem Tropfen meines Blutes mit
jeder Faſer meines Herzens ſie lieben werde, ſie möge
leben oder todt ſein, und daß ich ſie fort und fort durch
alle Zeiten in der tiefſten Seele meiner Seele tragen
werde. Es erſchien mir als das ſüßeſte Gefühl, ſie nicht
nur in dieſem Leben ſondern in tauſend Leben, die
nach tauſend Toden folgen mögen, immer lieben
zu können. Wie viel hatte ich in der Welt geſehen,
wie viel hatte mich erfreut, an wie Vielem hatte ich
Wohlgefallen gehabt: und wie iſt jezt Alles nichts,
und wie iſt es das höchſte Glück, eine reine tiefe
ſchöne menſchliche Seele ganz ſein eigen nennen zu
können, ganz ſein eigen.

Ich ging durch das Pförtchen hinaus, das ich
nur angelehnt fand, und ging auf dem Wege fort,
der an dieſer Seite vor dem Schloſſe vorbei führt,
und dann in die Felder hinaus geht. Er iſt breit,
mit feinem Sande belegt, und eignet ſich daher ſeiner
Trockenheit willen ganz beſonders zu Morgenſpazier¬
gängen. Er iſt von dem vorigen Beſizer des Schloſſes
angelegt und von Mathilden verbeſſert worden. Er
geht von dem Pförtchen nach beiden Richtungen nach
Norden und nach Süden ziemlich weit fort, und
bildet auf dieſe Weiſe zu dem Schloſſe eine Berüh¬

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[11/0025] hinaus gehen, mit jedem Tropfen meines Blutes mit jeder Faſer meines Herzens ſie lieben werde, ſie möge leben oder todt ſein, und daß ich ſie fort und fort durch alle Zeiten in der tiefſten Seele meiner Seele tragen werde. Es erſchien mir als das ſüßeſte Gefühl, ſie nicht nur in dieſem Leben ſondern in tauſend Leben, die nach tauſend Toden folgen mögen, immer lieben zu können. Wie viel hatte ich in der Welt geſehen, wie viel hatte mich erfreut, an wie Vielem hatte ich Wohlgefallen gehabt: und wie iſt jezt Alles nichts, und wie iſt es das höchſte Glück, eine reine tiefe ſchöne menſchliche Seele ganz ſein eigen nennen zu können, ganz ſein eigen. Ich ging durch das Pförtchen hinaus, das ich nur angelehnt fand, und ging auf dem Wege fort, der an dieſer Seite vor dem Schloſſe vorbei führt, und dann in die Felder hinaus geht. Er iſt breit, mit feinem Sande belegt, und eignet ſich daher ſeiner Trockenheit willen ganz beſonders zu Morgenſpazier¬ gängen. Er iſt von dem vorigen Beſizer des Schloſſes angelegt und von Mathilden verbeſſert worden. Er geht von dem Pförtchen nach beiden Richtungen nach Norden und nach Süden ziemlich weit fort, und bildet auf dieſe Weiſe zu dem Schloſſe eine Berüh¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/25>, abgerufen am 28.03.2024.