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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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wird später von einem Menschenforscher entdeckt, wie
jener Gerechte in Sodoma. Damit aber der Dienst
der Kunst leichter erhalten werde, sind in jedem Zeit¬
alter solche, denen ein tieferer Sinn für Kunstwerke
gegeben ward, sie sehen mit klarerem Auge in ihre
Theile, nehmen sie mit Wärme und Freude in ihr
Herz, und übergeben sie so ihren Mitmenschen. Wenn
man die Erschaffenden Götter nennt, so sind jene die
Priester dieser Götter. Sie verzögern den Schritt des
Unheiles, wenn der Kunstdienst zu verfallen beginnt,
und sie tragen, wenn es nach der Finsterniß wieder
hell werden soll, die Leuchte voran. Wenn ich nun
ein solcher war, wenn ich bestimmt war, durch An¬
schauung hoher Gestalten der Kunst und der Schöpfung,
die mir ja immer mit freundlichen Augen zugewinkt
haben, Freude in mein Herz zu sammeln, und Freude
Erkenntniß und Verehrung der Gestalten auf meine
Mitmenschen zu übertragen, so war mir meine Staats¬
laufbahn in diesem Berufe wieder sehr hinderlich, und
dürftige Spätblüthen können den Sommer, dessen
kräftige Lüfte und warme Sonne unbenüzt vorüber
gingen, nicht ersezen. Es ist traurig, daß man sich
nicht so leicht den Weg, der der vorzüglichste in jedem
Leben sein soll, wählen kann. Ich wiederhole, was

Stifter, Nachsommer. III. 15

wird ſpäter von einem Menſchenforſcher entdeckt, wie
jener Gerechte in Sodoma. Damit aber der Dienſt
der Kunſt leichter erhalten werde, ſind in jedem Zeit¬
alter ſolche, denen ein tieferer Sinn für Kunſtwerke
gegeben ward, ſie ſehen mit klarerem Auge in ihre
Theile, nehmen ſie mit Wärme und Freude in ihr
Herz, und übergeben ſie ſo ihren Mitmenſchen. Wenn
man die Erſchaffenden Götter nennt, ſo ſind jene die
Prieſter dieſer Götter. Sie verzögern den Schritt des
Unheiles, wenn der Kunſtdienſt zu verfallen beginnt,
und ſie tragen, wenn es nach der Finſterniß wieder
hell werden ſoll, die Leuchte voran. Wenn ich nun
ein ſolcher war, wenn ich beſtimmt war, durch An¬
ſchauung hoher Geſtalten der Kunſt und der Schöpfung,
die mir ja immer mit freundlichen Augen zugewinkt
haben, Freude in mein Herz zu ſammeln, und Freude
Erkenntniß und Verehrung der Geſtalten auf meine
Mitmenſchen zu übertragen, ſo war mir meine Staats¬
laufbahn in dieſem Berufe wieder ſehr hinderlich, und
dürftige Spätblüthen können den Sommer, deſſen
kräftige Lüfte und warme Sonne unbenüzt vorüber
gingen, nicht erſezen. Es iſt traurig, daß man ſich
nicht ſo leicht den Weg, der der vorzüglichſte in jedem
Leben ſein ſoll, wählen kann. Ich wiederhole, was

Stifter, Nachſommer. III. 15
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[225/0239] wird ſpäter von einem Menſchenforſcher entdeckt, wie jener Gerechte in Sodoma. Damit aber der Dienſt der Kunſt leichter erhalten werde, ſind in jedem Zeit¬ alter ſolche, denen ein tieferer Sinn für Kunſtwerke gegeben ward, ſie ſehen mit klarerem Auge in ihre Theile, nehmen ſie mit Wärme und Freude in ihr Herz, und übergeben ſie ſo ihren Mitmenſchen. Wenn man die Erſchaffenden Götter nennt, ſo ſind jene die Prieſter dieſer Götter. Sie verzögern den Schritt des Unheiles, wenn der Kunſtdienſt zu verfallen beginnt, und ſie tragen, wenn es nach der Finſterniß wieder hell werden ſoll, die Leuchte voran. Wenn ich nun ein ſolcher war, wenn ich beſtimmt war, durch An¬ ſchauung hoher Geſtalten der Kunſt und der Schöpfung, die mir ja immer mit freundlichen Augen zugewinkt haben, Freude in mein Herz zu ſammeln, und Freude Erkenntniß und Verehrung der Geſtalten auf meine Mitmenſchen zu übertragen, ſo war mir meine Staats¬ laufbahn in dieſem Berufe wieder ſehr hinderlich, und dürftige Spätblüthen können den Sommer, deſſen kräftige Lüfte und warme Sonne unbenüzt vorüber gingen, nicht erſezen. Es iſt traurig, daß man ſich nicht ſo leicht den Weg, der der vorzüglichſte in jedem Leben ſein ſoll, wählen kann. Ich wiederhole, was Stifter, Nachſommer. III. 15

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/239>, abgerufen am 22.11.2024.