so gut, so rein, so einfach. So seid ihr vor mir ge¬ wandelt, ihr waret mir begreiflich wie das Blau des Himmels, und eure Seele erschien mir so tief, wie das Blau des Himmels tief ist. Ich habe euch mehrere Jahre gekannt, ihr waret stets bedeutend vor der herr¬ lichen Gestalt eurer Mutter und der eures ehrwür¬ digen Freundes, ihr waret heute, wie ihr gestern gewesen waret, und morgen wie heute, und so habe ich euch in meine Seele genommen zu denen, die ich dort liebe, zu Vater Mutter Schwester -- nein, Na¬ talie, noch tiefer, tiefer --"
Sie sah mich bei diesen Worten sehr freundlich an, ihre Thränen flossen noch häufiger, und sie reichte mir ihre Hand herüber.
Ich faßte die Hand, ich konnte nichts sagen, und blickte sie nur an.
Nach mehreren Augenblicken ließ ich ihre Hand los, und sagte: "Natalie, es ist mir nicht begreiflich, wie ist es denn möglich, daß ihr mir gut seid, mir, der gar nichts ist, und nichts bedeutet?"
"Ihr wißt nicht, wer ihr seid," antwortete sie. "Es ist gekommen, wie es kommen mußte. Wir haben viele Zeit in der Stadt zugebracht, wir sind oft den ganzen Winter in derselben gewesen, wir haben Reisen
ſo gut, ſo rein, ſo einfach. So ſeid ihr vor mir ge¬ wandelt, ihr waret mir begreiflich wie das Blau des Himmels, und eure Seele erſchien mir ſo tief, wie das Blau des Himmels tief iſt. Ich habe euch mehrere Jahre gekannt, ihr waret ſtets bedeutend vor der herr¬ lichen Geſtalt eurer Mutter und der eures ehrwür¬ digen Freundes, ihr waret heute, wie ihr geſtern geweſen waret, und morgen wie heute, und ſo habe ich euch in meine Seele genommen zu denen, die ich dort liebe, zu Vater Mutter Schweſter — nein, Na¬ talie, noch tiefer, tiefer —“
Sie ſah mich bei dieſen Worten ſehr freundlich an, ihre Thränen floſſen noch häufiger, und ſie reichte mir ihre Hand herüber.
Ich faßte die Hand, ich konnte nichts ſagen, und blickte ſie nur an.
Nach mehreren Augenblicken ließ ich ihre Hand los, und ſagte: „Natalie, es iſt mir nicht begreiflich, wie iſt es denn möglich, daß ihr mir gut ſeid, mir, der gar nichts iſt, und nichts bedeutet?“
„Ihr wißt nicht, wer ihr ſeid,“ antwortete ſie. „Es iſt gekommen, wie es kommen mußte. Wir haben viele Zeit in der Stadt zugebracht, wir ſind oft den ganzen Winter in derſelben geweſen, wir haben Reiſen
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ſo gut, ſo rein, ſo einfach. So ſeid ihr vor mir ge¬
wandelt, ihr waret mir begreiflich wie das Blau des
Himmels, und eure Seele erſchien mir ſo tief, wie
das Blau des Himmels tief iſt. Ich habe euch mehrere
Jahre gekannt, ihr waret ſtets bedeutend vor der herr¬
lichen Geſtalt eurer Mutter und der eures ehrwür¬
digen Freundes, ihr waret heute, wie ihr geſtern
geweſen waret, und morgen wie heute, und ſo habe
ich euch in meine Seele genommen zu denen, die ich
dort liebe, zu Vater Mutter Schweſter — nein, Na¬
talie, noch tiefer, tiefer —“
Sie ſah mich bei dieſen Worten ſehr freundlich
an, ihre Thränen floſſen noch häufiger, und ſie reichte
mir ihre Hand herüber.
Ich faßte die Hand, ich konnte nichts ſagen, und
blickte ſie nur an.
Nach mehreren Augenblicken ließ ich ihre Hand
los, und ſagte: „Natalie, es iſt mir nicht begreiflich,
wie iſt es denn möglich, daß ihr mir gut ſeid, mir,
der gar nichts iſt, und nichts bedeutet?“
„Ihr wißt nicht, wer ihr ſeid,“ antwortete ſie.
„Es iſt gekommen, wie es kommen mußte. Wir haben
viele Zeit in der Stadt zugebracht, wir ſind oft den
ganzen Winter in derſelben geweſen, wir haben Reiſen
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/420>, abgerufen am 22.11.2024.
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