Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

gemacht, haben verschiedene Länder und Städte ge¬
sehen, wir sind in London Paris und Rom gewesen.
Ich habe viele junge Männer kennen gelernt. Dar¬
unter sind wichtige und bedeutende gewesen. Ich habe
gesehen, daß mancher Antheil an mir nahm; aber es
hat mich eingeschüchtert, und wenn einer durch spre¬
chende Blicke oder durch andere Merkmale es mir
näher legte, so entstand eine Angst in mir, und ich
mußte mich nur noch ferner halten. Wir gingen wie¬
der in die Heimath zurück. Da kamet ihr eines Som¬
mers in den Asperhof, und ich sah euch. Ihr kamet
im nächsten Sommer wieder. Ihr waret ohne An¬
spruch, ich sah, wie ihr die Dinge dieser Erde liebtet,
wie ihr ihnen nach ginget, und wie ihr sie in eurer
Wissenschaft hegtet -- ich sah, wie ihr meine Mutter
verehrtet, unsern Freund hochachtetet, den Knaben
Gustav beinahe liebtet, von eurem Vater eurer Mut¬
ter und eurer Schwester nur mit Ehrerbiethung spra¬
chet, und da -- -- da --"

"Da, Natalie?"

"Da liebte ich euch, weil ihr so einfach so gut und
doch so ernst seid."

"Und ich liebte euch mehr, als ich je irgend ein
Ding dieser Erde zu lieben vermochte."

gemacht, haben verſchiedene Länder und Städte ge¬
ſehen, wir ſind in London Paris und Rom geweſen.
Ich habe viele junge Männer kennen gelernt. Dar¬
unter ſind wichtige und bedeutende geweſen. Ich habe
geſehen, daß mancher Antheil an mir nahm; aber es
hat mich eingeſchüchtert, und wenn einer durch ſpre¬
chende Blicke oder durch andere Merkmale es mir
näher legte, ſo entſtand eine Angſt in mir, und ich
mußte mich nur noch ferner halten. Wir gingen wie¬
der in die Heimath zurück. Da kamet ihr eines Som¬
mers in den Asperhof, und ich ſah euch. Ihr kamet
im nächſten Sommer wieder. Ihr waret ohne An¬
ſpruch, ich ſah, wie ihr die Dinge dieſer Erde liebtet,
wie ihr ihnen nach ginget, und wie ihr ſie in eurer
Wiſſenſchaft hegtet — ich ſah, wie ihr meine Mutter
verehrtet, unſern Freund hochachtetet, den Knaben
Guſtav beinahe liebtet, von eurem Vater eurer Mut¬
ter und eurer Schweſter nur mit Ehrerbiethung ſpra¬
chet, und da — — da —“

„Da, Natalie?“

„Da liebte ich euch, weil ihr ſo einfach ſo gut und
doch ſo ernſt ſeid.“

„Und ich liebte euch mehr, als ich je irgend ein
Ding dieſer Erde zu lieben vermochte.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0421" n="407"/>
gemacht, haben ver&#x017F;chiedene Länder und Städte ge¬<lb/>
&#x017F;ehen, wir &#x017F;ind in London Paris und Rom gewe&#x017F;en.<lb/>
Ich habe viele junge Männer kennen gelernt. Dar¬<lb/>
unter &#x017F;ind wichtige und bedeutende gewe&#x017F;en. Ich habe<lb/>
ge&#x017F;ehen, daß mancher Antheil an mir nahm; aber es<lb/>
hat mich einge&#x017F;chüchtert, und wenn einer durch &#x017F;pre¬<lb/>
chende Blicke oder durch andere Merkmale es mir<lb/>
näher legte, &#x017F;o ent&#x017F;tand eine Ang&#x017F;t in mir, und ich<lb/>
mußte mich nur noch ferner halten. Wir gingen wie¬<lb/>
der in die Heimath zurück. Da kamet ihr eines Som¬<lb/>
mers in den Asperhof, und ich &#x017F;ah euch. Ihr kamet<lb/>
im näch&#x017F;ten Sommer wieder. Ihr waret ohne An¬<lb/>
&#x017F;pruch, ich &#x017F;ah, wie ihr die Dinge die&#x017F;er Erde liebtet,<lb/>
wie ihr ihnen nach ginget, und wie ihr &#x017F;ie in eurer<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft hegtet &#x2014; ich &#x017F;ah, wie ihr meine Mutter<lb/>
verehrtet, un&#x017F;ern Freund hochachtetet, den Knaben<lb/>
Gu&#x017F;tav beinahe liebtet, von eurem Vater eurer Mut¬<lb/>
ter und eurer Schwe&#x017F;ter nur mit Ehrerbiethung &#x017F;pra¬<lb/>
chet, und da &#x2014; &#x2014; da &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Da, Natalie?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Da liebte ich euch, weil ihr &#x017F;o einfach &#x017F;o gut und<lb/>
doch &#x017F;o ern&#x017F;t &#x017F;eid.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und ich liebte euch mehr, als ich je irgend ein<lb/>
Ding die&#x017F;er Erde zu lieben vermochte.&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[407/0421] gemacht, haben verſchiedene Länder und Städte ge¬ ſehen, wir ſind in London Paris und Rom geweſen. Ich habe viele junge Männer kennen gelernt. Dar¬ unter ſind wichtige und bedeutende geweſen. Ich habe geſehen, daß mancher Antheil an mir nahm; aber es hat mich eingeſchüchtert, und wenn einer durch ſpre¬ chende Blicke oder durch andere Merkmale es mir näher legte, ſo entſtand eine Angſt in mir, und ich mußte mich nur noch ferner halten. Wir gingen wie¬ der in die Heimath zurück. Da kamet ihr eines Som¬ mers in den Asperhof, und ich ſah euch. Ihr kamet im nächſten Sommer wieder. Ihr waret ohne An¬ ſpruch, ich ſah, wie ihr die Dinge dieſer Erde liebtet, wie ihr ihnen nach ginget, und wie ihr ſie in eurer Wiſſenſchaft hegtet — ich ſah, wie ihr meine Mutter verehrtet, unſern Freund hochachtetet, den Knaben Guſtav beinahe liebtet, von eurem Vater eurer Mut¬ ter und eurer Schweſter nur mit Ehrerbiethung ſpra¬ chet, und da — — da —“ „Da, Natalie?“ „Da liebte ich euch, weil ihr ſo einfach ſo gut und doch ſo ernſt ſeid.“ „Und ich liebte euch mehr, als ich je irgend ein Ding dieſer Erde zu lieben vermochte.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/421
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/421>, abgerufen am 22.11.2024.