man auf, die Lichter zu dem Gange in die verschiede¬ nen Schlafgemächer wurden angezündet, und man begab sich allmählich zur Ruhe.
Am andern Morgen nach dem Frühmahle, da die höher gestiegene Sonne die Gräser bereits getrocknet hatte, begab man sich in das Freie, um das Urtheil über die Arbeiten an der Vorderseite des Hauses zu fällen. Alle gingen mit. Selbst Dienerschaft stand seitwärts in der Nähe, als ob sie wüßte, was ge¬ schehe -- und sie wußte es wohl auch -- und als ob sie sich dabei betheiligen sollte. Man ging einige hun¬ dert Schritte von der Vorderseite des Hauses weg, wendete sich dann um, blieb im Grase stehen, und betrachtete die von der Tünche befreite Wand. Hier¬ auf umging man in einem weiten Bogen eine Ecke des Hauses, um auch eine Wand zu sehen, auf wel¬ cher sich noch die Tünche befand. Nachdem man bei¬ des wohl angeschaut hatte, nahm man einen Stand ein, der beide Ansichten gestattete.
Nach und nach wurden Meinungen laut. Man fragte zuerst die älteren und ansehnlicheren Gäste. Diese gaben fast alle ihr Urtheil unbestimmt und mit Vorsicht ab. Beide Einrichtungen hätten ihr Gutes, an beiden wird etwas auszustellen sein, und es komme
man auf, die Lichter zu dem Gange in die verſchiede¬ nen Schlafgemächer wurden angezündet, und man begab ſich allmählich zur Ruhe.
Am andern Morgen nach dem Frühmahle, da die höher geſtiegene Sonne die Gräſer bereits getrocknet hatte, begab man ſich in das Freie, um das Urtheil über die Arbeiten an der Vorderſeite des Hauſes zu fällen. Alle gingen mit. Selbſt Dienerſchaft ſtand ſeitwärts in der Nähe, als ob ſie wüßte, was ge¬ ſchehe — und ſie wußte es wohl auch — und als ob ſie ſich dabei betheiligen ſollte. Man ging einige hun¬ dert Schritte von der Vorderſeite des Hauſes weg, wendete ſich dann um, blieb im Graſe ſtehen, und betrachtete die von der Tünche befreite Wand. Hier¬ auf umging man in einem weiten Bogen eine Ecke des Hauſes, um auch eine Wand zu ſehen, auf wel¬ cher ſich noch die Tünche befand. Nachdem man bei¬ des wohl angeſchaut hatte, nahm man einen Stand ein, der beide Anſichten geſtattete.
Nach und nach wurden Meinungen laut. Man fragte zuerſt die älteren und anſehnlicheren Gäſte. Dieſe gaben faſt alle ihr Urtheil unbeſtimmt und mit Vorſicht ab. Beide Einrichtungen hätten ihr Gutes, an beiden wird etwas auszuſtellen ſein, und es komme
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man auf, die Lichter zu dem Gange in die verſchiede¬
nen Schlafgemächer wurden angezündet, und man
begab ſich allmählich zur Ruhe.
Am andern Morgen nach dem Frühmahle, da die
höher geſtiegene Sonne die Gräſer bereits getrocknet
hatte, begab man ſich in das Freie, um das Urtheil
über die Arbeiten an der Vorderſeite des Hauſes zu
fällen. Alle gingen mit. Selbſt Dienerſchaft ſtand
ſeitwärts in der Nähe, als ob ſie wüßte, was ge¬
ſchehe — und ſie wußte es wohl auch — und als ob
ſie ſich dabei betheiligen ſollte. Man ging einige hun¬
dert Schritte von der Vorderſeite des Hauſes weg,
wendete ſich dann um, blieb im Graſe ſtehen, und
betrachtete die von der Tünche befreite Wand. Hier¬
auf umging man in einem weiten Bogen eine Ecke
des Hauſes, um auch eine Wand zu ſehen, auf wel¬
cher ſich noch die Tünche befand. Nachdem man bei¬
des wohl angeſchaut hatte, nahm man einen Stand
ein, der beide Anſichten geſtattete.
Nach und nach wurden Meinungen laut. Man
fragte zuerſt die älteren und anſehnlicheren Gäſte.
Dieſe gaben faſt alle ihr Urtheil unbeſtimmt und mit
Vorſicht ab. Beide Einrichtungen hätten ihr Gutes,
an beiden wird etwas auszuſtellen ſein, und es komme
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/356>, abgerufen am 25.11.2024.
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