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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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"Seid ihr von eurer Kindheit an gerne allein in
den Feldern gegangen?"

"Ich erinnere mich des Wunsches nicht," antwor¬
tete sie, "wie es denn überhaupt einige Zeitabschnitte
in meiner Kindheit gibt, an welche ich mich nicht
genau erinnern kann, und da der Wunsch in meinem
Gedächtnisse nicht gegenwärtig ist, so wird auch die
Thatsache nicht gewesen sein, obwohl es wahr ist, daß
ich als Kind lebhafte Bewegungen sehr geliebt habe."

"Und jezt führt euch eure Neigung öfter in das
Freie?" fragte ich.

"Ich gehe gerne herum, wo ich nicht beengt bin,"
antwortete sie, "ich gehe zwischen den Feldern und den
wallenden Saaten, ich steige auf die sanften Hügel
empor, ich wandere an den blätterreichen Bäumen
vorüber, und gehe so fort, bis mich eine fremde Ge¬
gend ansieht, der Himmel über derselben gleichsam
ein anderer ist, und andere Wolken hegt. Im Gehen
sinne und denke ich dann. Der Himmel die Wolken
darin das Getreide die Bäume die Gesträuche das
Gras die Blumen stören mich nicht. Wenn ich recht
ermüdet bin, und auf einem Bänklein wie hier oder
auf einem Sessel in unserem Garten oder selbst auf
einem Size in unserem Zimmer ausruhen kann, so

„Seid ihr von eurer Kindheit an gerne allein in
den Feldern gegangen?“

„Ich erinnere mich des Wunſches nicht,“ antwor¬
tete ſie, „wie es denn überhaupt einige Zeitabſchnitte
in meiner Kindheit gibt, an welche ich mich nicht
genau erinnern kann, und da der Wunſch in meinem
Gedächtniſſe nicht gegenwärtig iſt, ſo wird auch die
Thatſache nicht geweſen ſein, obwohl es wahr iſt, daß
ich als Kind lebhafte Bewegungen ſehr geliebt habe.“

„Und jezt führt euch eure Neigung öfter in das
Freie?“ fragte ich.

„Ich gehe gerne herum, wo ich nicht beengt bin,“
antwortete ſie, „ich gehe zwiſchen den Feldern und den
wallenden Saaten, ich ſteige auf die ſanften Hügel
empor, ich wandere an den blätterreichen Bäumen
vorüber, und gehe ſo fort, bis mich eine fremde Ge¬
gend anſieht, der Himmel über derſelben gleichſam
ein anderer iſt, und andere Wolken hegt. Im Gehen
ſinne und denke ich dann. Der Himmel die Wolken
darin das Getreide die Bäume die Geſträuche das
Gras die Blumen ſtören mich nicht. Wenn ich recht
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[314/0328] „Seid ihr von eurer Kindheit an gerne allein in den Feldern gegangen?“ „Ich erinnere mich des Wunſches nicht,“ antwor¬ tete ſie, „wie es denn überhaupt einige Zeitabſchnitte in meiner Kindheit gibt, an welche ich mich nicht genau erinnern kann, und da der Wunſch in meinem Gedächtniſſe nicht gegenwärtig iſt, ſo wird auch die Thatſache nicht geweſen ſein, obwohl es wahr iſt, daß ich als Kind lebhafte Bewegungen ſehr geliebt habe.“ „Und jezt führt euch eure Neigung öfter in das Freie?“ fragte ich. „Ich gehe gerne herum, wo ich nicht beengt bin,“ antwortete ſie, „ich gehe zwiſchen den Feldern und den wallenden Saaten, ich ſteige auf die ſanften Hügel empor, ich wandere an den blätterreichen Bäumen vorüber, und gehe ſo fort, bis mich eine fremde Ge¬ gend anſieht, der Himmel über derſelben gleichſam ein anderer iſt, und andere Wolken hegt. Im Gehen ſinne und denke ich dann. Der Himmel die Wolken darin das Getreide die Bäume die Geſträuche das Gras die Blumen ſtören mich nicht. Wenn ich recht ermüdet bin, und auf einem Bänklein wie hier oder auf einem Seſſel in unſerem Garten oder ſelbſt auf einem Size in unſerem Zimmer ausruhen kann, ſo

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/328>, abgerufen am 22.11.2024.