Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht Ursache sein, daß ihr steht, ich bitte sezet euch,
ich will, so schnell ich kann, durch die Felder und den
Garten eilen, und euch Gustav herauf senden, daß
er euch nach Hause begleite."

"Das wird nicht nöthig sein," erwiederte sie, "es
ist ja noch nicht Abend, und selbst wenn es Abend
wäre, so droht wohl nirgends ringsherum eine Ge¬
fahr. Ich bin schon viel weiter allein gegangen, ich
bin allein nach Hause zurückgekehrt, meine Mutter
und unser Gastfreund haben deßhalb keine Besorg¬
nisse gehabt. Heute bin ich bis auf dem Raitbühel
bei dem rothen Kreuze gewesen, und bin von dort zu
der Bank hieher zurück gegangen."

"Das ist ja fast über eine Stunde Weges," sagte
ich.

"Ich weiß nicht, wie lange ich gegangen bin,"
antwortete sie, "ich ging zwischen den Feldern hin,
auf denen die ungeheure Menge des Getreides steht,
ich ging an manchem Strauche hin, den der Rain
enthält, ich ging an manchem Baume vorbei, der in
dem Getreide steht, und kam zu dem rothen Kreuze,
das aus den Saaten empor ragt."

"Wenn ich sehr gut gehe," sagte ich, "so brauche
ich von hier bis zu dem rothen Kreuze eine Stunde."

nicht Urſache ſein, daß ihr ſteht, ich bitte ſezet euch,
ich will, ſo ſchnell ich kann, durch die Felder und den
Garten eilen, und euch Guſtav herauf ſenden, daß
er euch nach Hauſe begleite.“

„Das wird nicht nöthig ſein,“ erwiederte ſie, „es
iſt ja noch nicht Abend, und ſelbſt wenn es Abend
wäre, ſo droht wohl nirgends ringsherum eine Ge¬
fahr. Ich bin ſchon viel weiter allein gegangen, ich
bin allein nach Hauſe zurückgekehrt, meine Mutter
und unſer Gaſtfreund haben deßhalb keine Beſorg¬
niſſe gehabt. Heute bin ich bis auf dem Raitbühel
bei dem rothen Kreuze geweſen, und bin von dort zu
der Bank hieher zurück gegangen.“

„Das iſt ja faſt über eine Stunde Weges,“ ſagte
ich.

„Ich weiß nicht, wie lange ich gegangen bin,“
antwortete ſie, „ich ging zwiſchen den Feldern hin,
auf denen die ungeheure Menge des Getreides ſteht,
ich ging an manchem Strauche hin, den der Rain
enthält, ich ging an manchem Baume vorbei, der in
dem Getreide ſteht, und kam zu dem rothen Kreuze,
das aus den Saaten empor ragt.“

„Wenn ich ſehr gut gehe,“ ſagte ich, „ſo brauche
ich von hier bis zu dem rothen Kreuze eine Stunde.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0326" n="312"/>
nicht Ur&#x017F;ache &#x017F;ein, daß ihr &#x017F;teht, ich bitte &#x017F;ezet euch,<lb/>
ich will, &#x017F;o &#x017F;chnell ich kann, durch die Felder und den<lb/>
Garten eilen, und euch Gu&#x017F;tav herauf &#x017F;enden, daß<lb/>
er euch nach Hau&#x017F;e begleite.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das wird nicht nöthig &#x017F;ein,&#x201C; erwiederte &#x017F;ie, &#x201E;es<lb/>
i&#x017F;t ja noch nicht Abend, und &#x017F;elb&#x017F;t wenn es Abend<lb/>
wäre, &#x017F;o droht wohl nirgends ringsherum eine Ge¬<lb/>
fahr. Ich bin &#x017F;chon viel weiter allein gegangen, ich<lb/>
bin allein nach Hau&#x017F;e zurückgekehrt, meine Mutter<lb/>
und un&#x017F;er Ga&#x017F;tfreund haben deßhalb keine Be&#x017F;org¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e gehabt. Heute bin ich bis auf dem Raitbühel<lb/>
bei dem rothen Kreuze gewe&#x017F;en, und bin von dort zu<lb/>
der Bank hieher zurück gegangen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t ja fa&#x017F;t über eine Stunde Weges,&#x201C; &#x017F;agte<lb/>
ich.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich weiß nicht, wie lange ich gegangen bin,&#x201C;<lb/>
antwortete &#x017F;ie, &#x201E;ich ging zwi&#x017F;chen den Feldern hin,<lb/>
auf denen die ungeheure Menge des Getreides &#x017F;teht,<lb/>
ich ging an manchem Strauche hin, den der Rain<lb/>
enthält, ich ging an manchem Baume vorbei, der in<lb/>
dem Getreide &#x017F;teht, und kam zu dem rothen Kreuze,<lb/>
das aus den Saaten empor ragt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn ich &#x017F;ehr gut gehe,&#x201C; &#x017F;agte ich, &#x201E;&#x017F;o brauche<lb/>
ich von hier bis zu dem rothen Kreuze eine Stunde.&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0326] nicht Urſache ſein, daß ihr ſteht, ich bitte ſezet euch, ich will, ſo ſchnell ich kann, durch die Felder und den Garten eilen, und euch Guſtav herauf ſenden, daß er euch nach Hauſe begleite.“ „Das wird nicht nöthig ſein,“ erwiederte ſie, „es iſt ja noch nicht Abend, und ſelbſt wenn es Abend wäre, ſo droht wohl nirgends ringsherum eine Ge¬ fahr. Ich bin ſchon viel weiter allein gegangen, ich bin allein nach Hauſe zurückgekehrt, meine Mutter und unſer Gaſtfreund haben deßhalb keine Beſorg¬ niſſe gehabt. Heute bin ich bis auf dem Raitbühel bei dem rothen Kreuze geweſen, und bin von dort zu der Bank hieher zurück gegangen.“ „Das iſt ja faſt über eine Stunde Weges,“ ſagte ich. „Ich weiß nicht, wie lange ich gegangen bin,“ antwortete ſie, „ich ging zwiſchen den Feldern hin, auf denen die ungeheure Menge des Getreides ſteht, ich ging an manchem Strauche hin, den der Rain enthält, ich ging an manchem Baume vorbei, der in dem Getreide ſteht, und kam zu dem rothen Kreuze, das aus den Saaten empor ragt.“ „Wenn ich ſehr gut gehe,“ ſagte ich, „ſo brauche ich von hier bis zu dem rothen Kreuze eine Stunde.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/326
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/326>, abgerufen am 23.11.2024.