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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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habe er dreimal seine alten Eltern, welche ferne in
einem waldigen Lande von einer wenig ergiebigen
Feldwirthschaft lebten, besucht, sie seien dann kurz
darauf eins nach dem andern gestorben. Sein edler
Dienstherr habe uns noch aus der Taufe gehoben,
sei dann von den Geschäften zurück getreten, habe
bei seinem einzigen Kinde einer Tochter die an einen
angesehenen Güterbesizer verheirathet war, gelebt,
und sei bei ihr auch endlich gestorben. So haben
sich alle Verhältnisse geändert. Das heimatliche
Waldhaus mit der geringen Feldwirthschaft habe
er und sein Bruder einer Schwester geschenkt, diese
sei ohne Kinder gestorben, und da weder er noch der
Bruder das Haus bewirthschaften konnten, so haben
sie eingewilligt, daß es an einen entfernten Verwand¬
ten falle. Der Bruder sei während unserer Unmün¬
digkeit gestorben, eben so die Großeltern von müt¬
terlicher Seite, und endlich ein Großoheim von
eben dieser Seite, der uns Kinder zu Erben ein¬
gesezt, und da die Mutter keine Geschwister gehabt
habe, so seien wir nun allein, und so sei keine Ver¬
wandtschaft weder von väterlicher noch von mütterli¬
cher Seite übrig. Er habe die Liebe, welche ihm durch
den Tod seiner Angehörigen, denen er, besonders dem

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habe er dreimal ſeine alten Eltern, welche ferne in
einem waldigen Lande von einer wenig ergiebigen
Feldwirthſchaft lebten, beſucht, ſie ſeien dann kurz
darauf eins nach dem andern geſtorben. Sein edler
Dienſtherr habe uns noch aus der Taufe gehoben,
ſei dann von den Geſchäften zurück getreten, habe
bei ſeinem einzigen Kinde einer Tochter die an einen
angeſehenen Güterbeſizer verheirathet war, gelebt,
und ſei bei ihr auch endlich geſtorben. So haben
ſich alle Verhältniſſe geändert. Das heimatliche
Waldhaus mit der geringen Feldwirthſchaft habe
er und ſein Bruder einer Schweſter geſchenkt, dieſe
ſei ohne Kinder geſtorben, und da weder er noch der
Bruder das Haus bewirthſchaften konnten, ſo haben
ſie eingewilligt, daß es an einen entfernten Verwand¬
ten falle. Der Bruder ſei während unſerer Unmün¬
digkeit geſtorben, eben ſo die Großeltern von müt¬
terlicher Seite, und endlich ein Großoheim von
eben dieſer Seite, der uns Kinder zu Erben ein¬
geſezt, und da die Mutter keine Geſchwiſter gehabt
habe, ſo ſeien wir nun allein, und ſo ſei keine Ver¬
wandtſchaft weder von väterlicher noch von mütterli¬
cher Seite übrig. Er habe die Liebe, welche ihm durch
den Tod ſeiner Angehörigen, denen er, beſonders dem

18 *
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[275/0289] habe er dreimal ſeine alten Eltern, welche ferne in einem waldigen Lande von einer wenig ergiebigen Feldwirthſchaft lebten, beſucht, ſie ſeien dann kurz darauf eins nach dem andern geſtorben. Sein edler Dienſtherr habe uns noch aus der Taufe gehoben, ſei dann von den Geſchäften zurück getreten, habe bei ſeinem einzigen Kinde einer Tochter die an einen angeſehenen Güterbeſizer verheirathet war, gelebt, und ſei bei ihr auch endlich geſtorben. So haben ſich alle Verhältniſſe geändert. Das heimatliche Waldhaus mit der geringen Feldwirthſchaft habe er und ſein Bruder einer Schweſter geſchenkt, dieſe ſei ohne Kinder geſtorben, und da weder er noch der Bruder das Haus bewirthſchaften konnten, ſo haben ſie eingewilligt, daß es an einen entfernten Verwand¬ ten falle. Der Bruder ſei während unſerer Unmün¬ digkeit geſtorben, eben ſo die Großeltern von müt¬ terlicher Seite, und endlich ein Großoheim von eben dieſer Seite, der uns Kinder zu Erben ein¬ geſezt, und da die Mutter keine Geſchwiſter gehabt habe, ſo ſeien wir nun allein, und ſo ſei keine Ver¬ wandtſchaft weder von väterlicher noch von mütterli¬ cher Seite übrig. Er habe die Liebe, welche ihm durch den Tod ſeiner Angehörigen, denen er, beſonders dem 18 *

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/289>, abgerufen am 18.05.2024.