habe er dreimal seine alten Eltern, welche ferne in einem waldigen Lande von einer wenig ergiebigen Feldwirthschaft lebten, besucht, sie seien dann kurz darauf eins nach dem andern gestorben. Sein edler Dienstherr habe uns noch aus der Taufe gehoben, sei dann von den Geschäften zurück getreten, habe bei seinem einzigen Kinde einer Tochter die an einen angesehenen Güterbesizer verheirathet war, gelebt, und sei bei ihr auch endlich gestorben. So haben sich alle Verhältnisse geändert. Das heimatliche Waldhaus mit der geringen Feldwirthschaft habe er und sein Bruder einer Schwester geschenkt, diese sei ohne Kinder gestorben, und da weder er noch der Bruder das Haus bewirthschaften konnten, so haben sie eingewilligt, daß es an einen entfernten Verwand¬ ten falle. Der Bruder sei während unserer Unmün¬ digkeit gestorben, eben so die Großeltern von müt¬ terlicher Seite, und endlich ein Großoheim von eben dieser Seite, der uns Kinder zu Erben ein¬ gesezt, und da die Mutter keine Geschwister gehabt habe, so seien wir nun allein, und so sei keine Ver¬ wandtschaft weder von väterlicher noch von mütterli¬ cher Seite übrig. Er habe die Liebe, welche ihm durch den Tod seiner Angehörigen, denen er, besonders dem
18 *
habe er dreimal ſeine alten Eltern, welche ferne in einem waldigen Lande von einer wenig ergiebigen Feldwirthſchaft lebten, beſucht, ſie ſeien dann kurz darauf eins nach dem andern geſtorben. Sein edler Dienſtherr habe uns noch aus der Taufe gehoben, ſei dann von den Geſchäften zurück getreten, habe bei ſeinem einzigen Kinde einer Tochter die an einen angeſehenen Güterbeſizer verheirathet war, gelebt, und ſei bei ihr auch endlich geſtorben. So haben ſich alle Verhältniſſe geändert. Das heimatliche Waldhaus mit der geringen Feldwirthſchaft habe er und ſein Bruder einer Schweſter geſchenkt, dieſe ſei ohne Kinder geſtorben, und da weder er noch der Bruder das Haus bewirthſchaften konnten, ſo haben ſie eingewilligt, daß es an einen entfernten Verwand¬ ten falle. Der Bruder ſei während unſerer Unmün¬ digkeit geſtorben, eben ſo die Großeltern von müt¬ terlicher Seite, und endlich ein Großoheim von eben dieſer Seite, der uns Kinder zu Erben ein¬ geſezt, und da die Mutter keine Geſchwiſter gehabt habe, ſo ſeien wir nun allein, und ſo ſei keine Ver¬ wandtſchaft weder von väterlicher noch von mütterli¬ cher Seite übrig. Er habe die Liebe, welche ihm durch den Tod ſeiner Angehörigen, denen er, beſonders dem
18 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0289"n="275"/>
habe er dreimal ſeine alten Eltern, welche ferne in<lb/>
einem waldigen Lande von einer wenig ergiebigen<lb/>
Feldwirthſchaft lebten, beſucht, ſie ſeien dann kurz<lb/>
darauf eins nach dem andern geſtorben. Sein edler<lb/>
Dienſtherr habe uns noch aus der Taufe gehoben,<lb/>ſei dann von den Geſchäften zurück getreten, habe<lb/>
bei ſeinem einzigen Kinde einer Tochter die an einen<lb/>
angeſehenen Güterbeſizer verheirathet war, gelebt,<lb/>
und ſei bei ihr auch endlich geſtorben. So haben<lb/>ſich alle Verhältniſſe geändert. Das heimatliche<lb/>
Waldhaus mit der geringen Feldwirthſchaft habe<lb/>
er und ſein Bruder einer Schweſter geſchenkt, dieſe<lb/>ſei ohne Kinder geſtorben, und da weder er noch der<lb/>
Bruder das Haus bewirthſchaften konnten, ſo haben<lb/>ſie eingewilligt, daß es an einen entfernten Verwand¬<lb/>
ten falle. Der Bruder ſei während unſerer Unmün¬<lb/>
digkeit geſtorben, eben ſo die Großeltern von müt¬<lb/>
terlicher Seite, und endlich ein Großoheim von<lb/>
eben dieſer Seite, der uns Kinder zu Erben ein¬<lb/>
geſezt, und da die Mutter keine Geſchwiſter gehabt<lb/>
habe, ſo ſeien wir nun allein, und ſo ſei keine Ver¬<lb/>
wandtſchaft weder von väterlicher noch von mütterli¬<lb/>
cher Seite übrig. Er habe die Liebe, welche ihm durch<lb/>
den Tod ſeiner Angehörigen, denen er, beſonders dem<lb/><fwplace="bottom"type="sig">18 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[275/0289]
habe er dreimal ſeine alten Eltern, welche ferne in
einem waldigen Lande von einer wenig ergiebigen
Feldwirthſchaft lebten, beſucht, ſie ſeien dann kurz
darauf eins nach dem andern geſtorben. Sein edler
Dienſtherr habe uns noch aus der Taufe gehoben,
ſei dann von den Geſchäften zurück getreten, habe
bei ſeinem einzigen Kinde einer Tochter die an einen
angeſehenen Güterbeſizer verheirathet war, gelebt,
und ſei bei ihr auch endlich geſtorben. So haben
ſich alle Verhältniſſe geändert. Das heimatliche
Waldhaus mit der geringen Feldwirthſchaft habe
er und ſein Bruder einer Schweſter geſchenkt, dieſe
ſei ohne Kinder geſtorben, und da weder er noch der
Bruder das Haus bewirthſchaften konnten, ſo haben
ſie eingewilligt, daß es an einen entfernten Verwand¬
ten falle. Der Bruder ſei während unſerer Unmün¬
digkeit geſtorben, eben ſo die Großeltern von müt¬
terlicher Seite, und endlich ein Großoheim von
eben dieſer Seite, der uns Kinder zu Erben ein¬
geſezt, und da die Mutter keine Geſchwiſter gehabt
habe, ſo ſeien wir nun allein, und ſo ſei keine Ver¬
wandtſchaft weder von väterlicher noch von mütterli¬
cher Seite übrig. Er habe die Liebe, welche ihm durch
den Tod ſeiner Angehörigen, denen er, beſonders dem
18 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/289>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.