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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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aufgeschrieben habe, und ließ den Wunsch blicken,
etwas Zusammengehöriges zu erfahren. Die Ge¬
schichte, wie unsere Erde entstanden sei, und wie sie
sich bis auf die heutigen Tage entwickelt habe, müßte
den größten Antheil erwecken. Ich entgegnete, daß
wir nicht so weit seien, und daß ich am wenigsten zu
denen gehöre, welche einen ergiebigen Stoff zu neuen
Schlüssen geliefert haben, so sehr ich mich auch be¬
strebe, für mich, und wenn es angeht, auch für andere
so viel zu fördern, als mir nur immer möglich ist.
Wenn sie davon und auch von dem, was andere gethan
haben, Mittheilungen zu empfangen wünsche, ohne sich
eben in die vorhandenen wissenschaftlichen Werke ver¬
tiefen und den Gegenstand als eigenen Zweck vor¬
nehmen zu wollen, so werde sich wohl Zeit und Ge¬
legenheit finden. Sie zeigte sich zufrieden, und entließ
mich mit jener Güte und Anmuth, die ihr so eigen
war.

Seit dieser Zeit verwandelte sich mein Verhältniß
zu ihr in ein anderes. Da ich nun einmal unter Tags
in ihrer Wohnung gewesen war, geschah dies öfter,
entweder, wenn wir Werke oder Abbildungen anzu¬
schauen hatten, wozu das Licht der abendlichen Lam¬
pen nicht ausreichend gewesen wäre, oder wenn sie

aufgeſchrieben habe, und ließ den Wunſch blicken,
etwas Zuſammengehöriges zu erfahren. Die Ge¬
ſchichte, wie unſere Erde entſtanden ſei, und wie ſie
ſich bis auf die heutigen Tage entwickelt habe, müßte
den größten Antheil erwecken. Ich entgegnete, daß
wir nicht ſo weit ſeien, und daß ich am wenigſten zu
denen gehöre, welche einen ergiebigen Stoff zu neuen
Schlüſſen geliefert haben, ſo ſehr ich mich auch be¬
ſtrebe, für mich, und wenn es angeht, auch für andere
ſo viel zu fördern, als mir nur immer möglich iſt.
Wenn ſie davon und auch von dem, was andere gethan
haben, Mittheilungen zu empfangen wünſche, ohne ſich
eben in die vorhandenen wiſſenſchaftlichen Werke ver¬
tiefen und den Gegenſtand als eigenen Zweck vor¬
nehmen zu wollen, ſo werde ſich wohl Zeit und Ge¬
legenheit finden. Sie zeigte ſich zufrieden, und entließ
mich mit jener Güte und Anmuth, die ihr ſo eigen
war.

Seit dieſer Zeit verwandelte ſich mein Verhältniß
zu ihr in ein anderes. Da ich nun einmal unter Tags
in ihrer Wohnung geweſen war, geſchah dies öfter,
entweder, wenn wir Werke oder Abbildungen anzu¬
ſchauen hatten, wozu das Licht der abendlichen Lam¬
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[268/0282] aufgeſchrieben habe, und ließ den Wunſch blicken, etwas Zuſammengehöriges zu erfahren. Die Ge¬ ſchichte, wie unſere Erde entſtanden ſei, und wie ſie ſich bis auf die heutigen Tage entwickelt habe, müßte den größten Antheil erwecken. Ich entgegnete, daß wir nicht ſo weit ſeien, und daß ich am wenigſten zu denen gehöre, welche einen ergiebigen Stoff zu neuen Schlüſſen geliefert haben, ſo ſehr ich mich auch be¬ ſtrebe, für mich, und wenn es angeht, auch für andere ſo viel zu fördern, als mir nur immer möglich iſt. Wenn ſie davon und auch von dem, was andere gethan haben, Mittheilungen zu empfangen wünſche, ohne ſich eben in die vorhandenen wiſſenſchaftlichen Werke ver¬ tiefen und den Gegenſtand als eigenen Zweck vor¬ nehmen zu wollen, ſo werde ſich wohl Zeit und Ge¬ legenheit finden. Sie zeigte ſich zufrieden, und entließ mich mit jener Güte und Anmuth, die ihr ſo eigen war. Seit dieſer Zeit verwandelte ſich mein Verhältniß zu ihr in ein anderes. Da ich nun einmal unter Tags in ihrer Wohnung geweſen war, geſchah dies öfter, entweder, wenn wir Werke oder Abbildungen anzu¬ ſchauen hatten, wozu das Licht der abendlichen Lam¬ pen nicht ausreichend geweſen wäre, oder wenn ſie

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/282>, abgerufen am 22.11.2024.