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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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häufig, wenn ich nicht in das Reine kommen konnte,
zu den Bildern meine Zuflucht, und suchte zu ergrün¬
den, wie es dieser und jener gemacht habe, um zu
dem Ausdrucke zu gelangen, den er darstellte. Mein
Vater sagte, das sei der geschichtliche Weg der Kunst,
man könne ihn verfolgen, wenn man große Bilder¬
sammlungen besuche, und wenn die Werke ohne große
Lücken da sind, um sie vergleichen zu können. Das
sei auch außer der genauesten Betrachtung der Natur
und der Liebe zu ihr der Weg, auf dem die Kunst
wachse, und auf dem sie bei den verschiedenen An¬
fängen, die sie in verschiedenen Zeiten und Räumen
gehabt habe, gewachsen ist, bis sie wieder versank
oder zerstört wurde, um wieder zu beginnen, und zu
versuchen, ob sie steigen könne. Wo der bare Hochmuth
auftritt, der alles Gewesene verwirft, und aus sich
schaffen will, dort ist es mit der Kunst wie auch mit
andern Dingen in dieser Welt aus, und man wirft
sich in das bloße Leere.

Außer dem Zeichnungsunterrichte sezte ich mit der
Schwester auch die Übungen in der spanischen Sprache
und im Zitherspiele fort. Sie war ohnehin von
Kindheit an geneigt gewesen, alles, was ich that,
ein wenig nachzuahmen, und ich hatte immer die Lust

häufig, wenn ich nicht in das Reine kommen konnte,
zu den Bildern meine Zuflucht, und ſuchte zu ergrün¬
den, wie es dieſer und jener gemacht habe, um zu
dem Ausdrucke zu gelangen, den er darſtellte. Mein
Vater ſagte, das ſei der geſchichtliche Weg der Kunſt,
man könne ihn verfolgen, wenn man große Bilder¬
ſammlungen beſuche, und wenn die Werke ohne große
Lücken da ſind, um ſie vergleichen zu können. Das
ſei auch außer der genaueſten Betrachtung der Natur
und der Liebe zu ihr der Weg, auf dem die Kunſt
wachſe, und auf dem ſie bei den verſchiedenen An¬
fängen, die ſie in verſchiedenen Zeiten und Räumen
gehabt habe, gewachſen iſt, bis ſie wieder verſank
oder zerſtört wurde, um wieder zu beginnen, und zu
verſuchen, ob ſie ſteigen könne. Wo der bare Hochmuth
auftritt, der alles Geweſene verwirft, und aus ſich
ſchaffen will, dort iſt es mit der Kunſt wie auch mit
andern Dingen in dieſer Welt aus, und man wirft
ſich in das bloße Leere.

Außer dem Zeichnungsunterrichte ſezte ich mit der
Schweſter auch die Übungen in der ſpaniſchen Sprache
und im Zitherſpiele fort. Sie war ohnehin von
Kindheit an geneigt geweſen, alles, was ich that,
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[258/0272] häufig, wenn ich nicht in das Reine kommen konnte, zu den Bildern meine Zuflucht, und ſuchte zu ergrün¬ den, wie es dieſer und jener gemacht habe, um zu dem Ausdrucke zu gelangen, den er darſtellte. Mein Vater ſagte, das ſei der geſchichtliche Weg der Kunſt, man könne ihn verfolgen, wenn man große Bilder¬ ſammlungen beſuche, und wenn die Werke ohne große Lücken da ſind, um ſie vergleichen zu können. Das ſei auch außer der genaueſten Betrachtung der Natur und der Liebe zu ihr der Weg, auf dem die Kunſt wachſe, und auf dem ſie bei den verſchiedenen An¬ fängen, die ſie in verſchiedenen Zeiten und Räumen gehabt habe, gewachſen iſt, bis ſie wieder verſank oder zerſtört wurde, um wieder zu beginnen, und zu verſuchen, ob ſie ſteigen könne. Wo der bare Hochmuth auftritt, der alles Geweſene verwirft, und aus ſich ſchaffen will, dort iſt es mit der Kunſt wie auch mit andern Dingen in dieſer Welt aus, und man wirft ſich in das bloße Leere. Außer dem Zeichnungsunterrichte ſezte ich mit der Schweſter auch die Übungen in der ſpaniſchen Sprache und im Zitherſpiele fort. Sie war ohnehin von Kindheit an geneigt geweſen, alles, was ich that, ein wenig nachzuahmen, und ich hatte immer die Luſt

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/272>, abgerufen am 22.11.2024.