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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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ganz andere Gestalten gewohnt war, und sie liebte,
nehmlich an die des Hochgebirges. Heute aber ge¬
fällt mir alles, was uns umgibt, es gefällt mir so,
daß ich es kaum zu sagen im Stande bin."

"Seht, das geht immer so," erwiederte sie. "Als
ich mit meinem Vater zum ersten Male hier war, frei¬
lich befand ich mich noch in den Kinderjahren, war
mir das unaufhörliche Auf- und Abfahren so unan¬
genehm, daß ich mich auf das Äußerste wieder in un¬
sere Stadt und in deren Ebenen zurück sehnte. Nach
langer Zeit fuhr ich mit der Mutter durch diese Ge¬
genden und später wiederholt in derselben Gesellschaft
wie heute, außer euch, und jedes Mal wurde mir das
Land und seine Gestaltungen ja selbst seine Bewohner
lieber. Auch das ist eigenthümlich und angenehm,
daß man Wagenreisen und Fußreisen verbinden kann.
Wenn man, wie wir jezt thun, die Wägen verläßt,
und einen langen Berg hinan geht, oder ihn hinab
geht, wird einem das Land bekannter, als wenn man
immer in dem Wagen bleibt. Es tritt näher an uns.
Die Gesträuche an dem Wege, die Steinmauern, die
sie hier so gerne um die Felder legen, ein Birken¬
wäldchen mit den kleinsten Dingen, die unter seinen
Stämmen wachsen, die Wiesen, die sich in eine

ganz andere Geſtalten gewohnt war, und ſie liebte,
nehmlich an die des Hochgebirges. Heute aber ge¬
fällt mir alles, was uns umgibt, es gefällt mir ſo,
daß ich es kaum zu ſagen im Stande bin.“

„Seht, das geht immer ſo,“ erwiederte ſie. „Als
ich mit meinem Vater zum erſten Male hier war, frei¬
lich befand ich mich noch in den Kinderjahren, war
mir das unaufhörliche Auf- und Abfahren ſo unan¬
genehm, daß ich mich auf das Äußerſte wieder in un¬
ſere Stadt und in deren Ebenen zurück ſehnte. Nach
langer Zeit fuhr ich mit der Mutter durch dieſe Ge¬
genden und ſpäter wiederholt in derſelben Geſellſchaft
wie heute, außer euch, und jedes Mal wurde mir das
Land und ſeine Geſtaltungen ja ſelbſt ſeine Bewohner
lieber. Auch das iſt eigenthümlich und angenehm,
daß man Wagenreiſen und Fußreiſen verbinden kann.
Wenn man, wie wir jezt thun, die Wägen verläßt,
und einen langen Berg hinan geht, oder ihn hinab
geht, wird einem das Land bekannter, als wenn man
immer in dem Wagen bleibt. Es tritt näher an uns.
Die Geſträuche an dem Wege, die Steinmauern, die
ſie hier ſo gerne um die Felder legen, ein Birken¬
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[213/0227] ganz andere Geſtalten gewohnt war, und ſie liebte, nehmlich an die des Hochgebirges. Heute aber ge¬ fällt mir alles, was uns umgibt, es gefällt mir ſo, daß ich es kaum zu ſagen im Stande bin.“ „Seht, das geht immer ſo,“ erwiederte ſie. „Als ich mit meinem Vater zum erſten Male hier war, frei¬ lich befand ich mich noch in den Kinderjahren, war mir das unaufhörliche Auf- und Abfahren ſo unan¬ genehm, daß ich mich auf das Äußerſte wieder in un¬ ſere Stadt und in deren Ebenen zurück ſehnte. Nach langer Zeit fuhr ich mit der Mutter durch dieſe Ge¬ genden und ſpäter wiederholt in derſelben Geſellſchaft wie heute, außer euch, und jedes Mal wurde mir das Land und ſeine Geſtaltungen ja ſelbſt ſeine Bewohner lieber. Auch das iſt eigenthümlich und angenehm, daß man Wagenreiſen und Fußreiſen verbinden kann. Wenn man, wie wir jezt thun, die Wägen verläßt, und einen langen Berg hinan geht, oder ihn hinab geht, wird einem das Land bekannter, als wenn man immer in dem Wagen bleibt. Es tritt näher an uns. Die Geſträuche an dem Wege, die Steinmauern, die ſie hier ſo gerne um die Felder legen, ein Birken¬ wäldchen mit den kleinſten Dingen, die unter ſeinen Stämmen wachſen, die Wieſen, die ſich in eine

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/227>, abgerufen am 24.11.2024.