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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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mer darin fortgefahren sei, und daß ich zulezt mich an
Calderon gewagt habe.

Sie sagte, von ihrer Mutter sei ihr das Spanische
empfohlen worden. Es gefalle ihr, sie werde nicht
davon ablassen, so weit nehmlich ihre Kräfte darin
ausreichen, und sie finde in dem Inhalte der spani¬
schen Schriften besonders in der Einsamkeit der Ro¬
manzen in den Pfaden der Maulthiertreiber und in
den Schluchten und Bergen eine Ähnlichkeit mit dem
Lande, in dem wir reisen. Darum gefalle ihr das
Spanische, weil ihr dieses Land hier so gefalle. Sie
würde am liebsten, wenn es auf sie ankäme, in diesen
Bergen wohnen.

"Mir gefällt auch dieses Land," erwiederte ich,
"es gefällt mir mehr, als ich je gedacht hätte. Da ich
zum ersten Male hier war, übte es auf mich schier
keinen Reiz aus, ja mit seinem raschen Wechsel und
doch mit der großen Ähnlichkeit aller Gründe stieß es
mich eher ab, als es mich anzog. Da ich mit unserem
Gastfreunde später einmal einen größeren Theil be¬
reiste, war es ganz anders, ich fand mich zu dieser
Weitsicht und Beschränktheit zu dieser Enge und Gro߬
artigkeit zu dieser Einfachheit und Manigfaltigkeit
hingeneigt. Ich fühlte mich bewegt, obwohl ich an

mer darin fortgefahren ſei, und daß ich zulezt mich an
Calderon gewagt habe.

Sie ſagte, von ihrer Mutter ſei ihr das Spaniſche
empfohlen worden. Es gefalle ihr, ſie werde nicht
davon ablaſſen, ſo weit nehmlich ihre Kräfte darin
ausreichen, und ſie finde in dem Inhalte der ſpani¬
ſchen Schriften beſonders in der Einſamkeit der Ro¬
manzen in den Pfaden der Maulthiertreiber und in
den Schluchten und Bergen eine Ähnlichkeit mit dem
Lande, in dem wir reiſen. Darum gefalle ihr das
Spaniſche, weil ihr dieſes Land hier ſo gefalle. Sie
würde am liebſten, wenn es auf ſie ankäme, in dieſen
Bergen wohnen.

„Mir gefällt auch dieſes Land,“ erwiederte ich,
„es gefällt mir mehr, als ich je gedacht hätte. Da ich
zum erſten Male hier war, übte es auf mich ſchier
keinen Reiz aus, ja mit ſeinem raſchen Wechſel und
doch mit der großen Ähnlichkeit aller Gründe ſtieß es
mich eher ab, als es mich anzog. Da ich mit unſerem
Gaſtfreunde ſpäter einmal einen größeren Theil be¬
reiſte, war es ganz anders, ich fand mich zu dieſer
Weitſicht und Beſchränktheit zu dieſer Enge und Gro߬
artigkeit zu dieſer Einfachheit und Manigfaltigkeit
hingeneigt. Ich fühlte mich bewegt, obwohl ich an

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[212/0226] mer darin fortgefahren ſei, und daß ich zulezt mich an Calderon gewagt habe. Sie ſagte, von ihrer Mutter ſei ihr das Spaniſche empfohlen worden. Es gefalle ihr, ſie werde nicht davon ablaſſen, ſo weit nehmlich ihre Kräfte darin ausreichen, und ſie finde in dem Inhalte der ſpani¬ ſchen Schriften beſonders in der Einſamkeit der Ro¬ manzen in den Pfaden der Maulthiertreiber und in den Schluchten und Bergen eine Ähnlichkeit mit dem Lande, in dem wir reiſen. Darum gefalle ihr das Spaniſche, weil ihr dieſes Land hier ſo gefalle. Sie würde am liebſten, wenn es auf ſie ankäme, in dieſen Bergen wohnen. „Mir gefällt auch dieſes Land,“ erwiederte ich, „es gefällt mir mehr, als ich je gedacht hätte. Da ich zum erſten Male hier war, übte es auf mich ſchier keinen Reiz aus, ja mit ſeinem raſchen Wechſel und doch mit der großen Ähnlichkeit aller Gründe ſtieß es mich eher ab, als es mich anzog. Da ich mit unſerem Gaſtfreunde ſpäter einmal einen größeren Theil be¬ reiſte, war es ganz anders, ich fand mich zu dieſer Weitſicht und Beſchränktheit zu dieſer Enge und Gro߬ artigkeit zu dieſer Einfachheit und Manigfaltigkeit hingeneigt. Ich fühlte mich bewegt, obwohl ich an

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/226>, abgerufen am 24.11.2024.