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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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darin war kaum etwas zu sehen, nicht die Begren¬
zungen der Felder geschweige eine Wohnung, nur
das blizende Band des Stromes war hie und da
durch das Blau gezogen. Es war unsäglich, wie
mir alles gefiel, es gefiel mir bei weitem mehr,
als früher, da ich das erste Mal dieses Land mit
meinem Gastfreunde genauer besah. Ich tauchte meine
ganze Seele in den holden Spätduft, der alles um¬
schleierte, ich senkte sie in die tiefen Einschnitte, an
denen wir gelegentlich hin fuhren, und übergab sie
mit tiefem innerem Abschlusse der Ruhe und Stille,
die um uns waltete.

Als wir einmal einen langen Berg empor klom¬
men, dessen Weg einerseits an kleinen Felsstücken
Gestrippe und Wiesen dahinging, andererseits aber
den Blick in eine Schlucht und jenseits derselben auf
Berge Wiesen Felder und entfernte Waldbänder ge¬
währte, als dir Wägen voran gingen, und die ganze
Gesellschaft langsam folgte, vielfach stehen bleibend
und sich besprechend, gerieth ich neben Natalien, die
mich, nachdem wir eine Weile geschwiegen hatten,
fragte, ob ich noch das Spanische betreibe.

Ich antwortete ihr, daß ich es erst seit Kurzem zu
lernen begonnen habe, daß ich aber seit der Zeit im¬

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darin war kaum etwas zu ſehen, nicht die Begren¬
zungen der Felder geſchweige eine Wohnung, nur
das blizende Band des Stromes war hie und da
durch das Blau gezogen. Es war unſäglich, wie
mir alles gefiel, es gefiel mir bei weitem mehr,
als früher, da ich das erſte Mal dieſes Land mit
meinem Gaſtfreunde genauer beſah. Ich tauchte meine
ganze Seele in den holden Spätduft, der alles um¬
ſchleierte, ich ſenkte ſie in die tiefen Einſchnitte, an
denen wir gelegentlich hin fuhren, und übergab ſie
mit tiefem innerem Abſchluſſe der Ruhe und Stille,
die um uns waltete.

Als wir einmal einen langen Berg empor klom¬
men, deſſen Weg einerſeits an kleinen Felsſtücken
Geſtrippe und Wieſen dahinging, andererſeits aber
den Blick in eine Schlucht und jenſeits derſelben auf
Berge Wieſen Felder und entfernte Waldbänder ge¬
währte, als dir Wägen voran gingen, und die ganze
Geſellſchaft langſam folgte, vielfach ſtehen bleibend
und ſich beſprechend, gerieth ich neben Natalien, die
mich, nachdem wir eine Weile geſchwiegen hatten,
fragte, ob ich noch das Spaniſche betreibe.

Ich antwortete ihr, daß ich es erſt ſeit Kurzem zu
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14 *
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[211/0225] darin war kaum etwas zu ſehen, nicht die Begren¬ zungen der Felder geſchweige eine Wohnung, nur das blizende Band des Stromes war hie und da durch das Blau gezogen. Es war unſäglich, wie mir alles gefiel, es gefiel mir bei weitem mehr, als früher, da ich das erſte Mal dieſes Land mit meinem Gaſtfreunde genauer beſah. Ich tauchte meine ganze Seele in den holden Spätduft, der alles um¬ ſchleierte, ich ſenkte ſie in die tiefen Einſchnitte, an denen wir gelegentlich hin fuhren, und übergab ſie mit tiefem innerem Abſchluſſe der Ruhe und Stille, die um uns waltete. Als wir einmal einen langen Berg empor klom¬ men, deſſen Weg einerſeits an kleinen Felsſtücken Geſtrippe und Wieſen dahinging, andererſeits aber den Blick in eine Schlucht und jenſeits derſelben auf Berge Wieſen Felder und entfernte Waldbänder ge¬ währte, als dir Wägen voran gingen, und die ganze Geſellſchaft langſam folgte, vielfach ſtehen bleibend und ſich beſprechend, gerieth ich neben Natalien, die mich, nachdem wir eine Weile geſchwiegen hatten, fragte, ob ich noch das Spaniſche betreibe. Ich antwortete ihr, daß ich es erſt ſeit Kurzem zu lernen begonnen habe, daß ich aber ſeit der Zeit im¬ 14 *

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/225>, abgerufen am 24.11.2024.