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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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gerückt worden war, und wenn wir uns nun davor
befanden. Mathilde und mein Gastfreund saßen ge¬
wöhnlich, Eustach und ich standen, neben uns Na¬
talie, und nicht selten auch Gustav, welcher bei sol¬
chen Gelegenheiten sehr bescheiden und aufmerksam
war. Öfter sprach hauptsächlich mein Gastfreund von
dem Bilde öfter aber auch Eustach, wozu Mathilde
ihre Worte oder einfachen Meinungen gesellte. Man
wiederholte vielleicht oft gesagte Worte, man zeigte
sich Manches, das man schon oft gesehen hatte, und
machte sich auf Dinge aufmerksam, die man ohnehin
kannte. So wiederholte man den Genuß, und ver¬
lebte sich in das Kunstwerk. Ich sprach sehr selten
mit, höchstens fragte ich, und ließ mir etwas erklä¬
ren. Natalie stand daneben, und redete niemals ein
Wort.

Zur Nimphe des Brunnens, die unter der Eppich¬
wand im Garten war, ging ich auch öfter. Früher
hatte ich den wunderschönen Marmor bewundert, de߬
gleichen mir nicht vorgekommen war; jezt erschien
mir auch die Gestalt als ein sehr schönes Gebilde.
Ich verglich sie mit der auf der Treppe im Hause mei¬
nes Gastfreundes stehenden. Wenn auch jenes an
Hoheit Würde und Ernst weit den Vorzug in meinen

gerückt worden war, und wenn wir uns nun davor
befanden. Mathilde und mein Gaſtfreund ſaßen ge¬
wöhnlich, Euſtach und ich ſtanden, neben uns Na¬
talie, und nicht ſelten auch Guſtav, welcher bei ſol¬
chen Gelegenheiten ſehr beſcheiden und aufmerkſam
war. Öfter ſprach hauptſächlich mein Gaſtfreund von
dem Bilde öfter aber auch Euſtach, wozu Mathilde
ihre Worte oder einfachen Meinungen geſellte. Man
wiederholte vielleicht oft geſagte Worte, man zeigte
ſich Manches, das man ſchon oft geſehen hatte, und
machte ſich auf Dinge aufmerkſam, die man ohnehin
kannte. So wiederholte man den Genuß, und ver¬
lebte ſich in das Kunſtwerk. Ich ſprach ſehr ſelten
mit, höchſtens fragte ich, und ließ mir etwas erklä¬
ren. Natalie ſtand daneben, und redete niemals ein
Wort.

Zur Nimphe des Brunnens, die unter der Eppich¬
wand im Garten war, ging ich auch öfter. Früher
hatte ich den wunderſchönen Marmor bewundert, de߬
gleichen mir nicht vorgekommen war; jezt erſchien
mir auch die Geſtalt als ein ſehr ſchönes Gebilde.
Ich verglich ſie mit der auf der Treppe im Hauſe mei¬
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[186/0200] gerückt worden war, und wenn wir uns nun davor befanden. Mathilde und mein Gaſtfreund ſaßen ge¬ wöhnlich, Euſtach und ich ſtanden, neben uns Na¬ talie, und nicht ſelten auch Guſtav, welcher bei ſol¬ chen Gelegenheiten ſehr beſcheiden und aufmerkſam war. Öfter ſprach hauptſächlich mein Gaſtfreund von dem Bilde öfter aber auch Euſtach, wozu Mathilde ihre Worte oder einfachen Meinungen geſellte. Man wiederholte vielleicht oft geſagte Worte, man zeigte ſich Manches, das man ſchon oft geſehen hatte, und machte ſich auf Dinge aufmerkſam, die man ohnehin kannte. So wiederholte man den Genuß, und ver¬ lebte ſich in das Kunſtwerk. Ich ſprach ſehr ſelten mit, höchſtens fragte ich, und ließ mir etwas erklä¬ ren. Natalie ſtand daneben, und redete niemals ein Wort. Zur Nimphe des Brunnens, die unter der Eppich¬ wand im Garten war, ging ich auch öfter. Früher hatte ich den wunderſchönen Marmor bewundert, de߬ gleichen mir nicht vorgekommen war; jezt erſchien mir auch die Geſtalt als ein ſehr ſchönes Gebilde. Ich verglich ſie mit der auf der Treppe im Hauſe mei¬ nes Gaſtfreundes ſtehenden. Wenn auch jenes an Hoheit Würde und Ernſt weit den Vorzug in meinen

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/200>, abgerufen am 02.05.2024.