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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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lich gearbeiteten Goldrahmen fertig vor uns stand,
war es eine Art Fest für uns. Roland war herbei ge¬
rufen worden, da er gegen den Schluß des Werkes
eine Reise angetreten, und die Vollendung seinem
Bruder überlassen hatte. Mehrere Nachbaren waren
geladen worden, ja ein Freund und Kenner alter
Kunst, dem ich die Sache gemeldet hatte, war sogar
von ziemlich weiter Entfernung herzugekommen, um
die Wiederherstellung zu sehen, und andere, wenn sie
auch nicht geladen waren, hatten sich eingefunden,
da sie durch Zufall Kenntniß von der Begebenheit er¬
halten hatten, und wußten, daß sie auf dem Asper¬
hofe nicht unwillkommen sein würden. Es ist nicht
wahr, was man öfter sagt, daß eine schöne Frau ohne
Schmuck schöner sei als in demselben: und eben so ist
es nicht wahr, daß ein Gemälde zu seiner Geltung
nicht des Rahmens bedürfe. Ich hatte zu unserem
Marienbilde einen Rahmen nach Zeichnungen aus
mittelalterlichen Gegenständen bestellt, und hatte des¬
sen Ausführung gelegentlich, wenn mich ein Geschäft
oder mein Wille in die Stadt brachte, überwacht.
Er war weit eher auf dem Asperhofe angekommen,
als das Bild fertig war, und mußte die Zeit über in
seiner Kiste verpackt harren. Wir versuchten auch

Stifter, Nachsommer. II. 11

lich gearbeiteten Goldrahmen fertig vor uns ſtand,
war es eine Art Feſt für uns. Roland war herbei ge¬
rufen worden, da er gegen den Schluß des Werkes
eine Reiſe angetreten, und die Vollendung ſeinem
Bruder überlaſſen hatte. Mehrere Nachbaren waren
geladen worden, ja ein Freund und Kenner alter
Kunſt, dem ich die Sache gemeldet hatte, war ſogar
von ziemlich weiter Entfernung herzugekommen, um
die Wiederherſtellung zu ſehen, und andere, wenn ſie
auch nicht geladen waren, hatten ſich eingefunden,
da ſie durch Zufall Kenntniß von der Begebenheit er¬
halten hatten, und wußten, daß ſie auf dem Asper¬
hofe nicht unwillkommen ſein würden. Es iſt nicht
wahr, was man öfter ſagt, daß eine ſchöne Frau ohne
Schmuck ſchöner ſei als in demſelben: und eben ſo iſt
es nicht wahr, daß ein Gemälde zu ſeiner Geltung
nicht des Rahmens bedürfe. Ich hatte zu unſerem
Marienbilde einen Rahmen nach Zeichnungen aus
mittelalterlichen Gegenſtänden beſtellt, und hatte deſ¬
ſen Ausführung gelegentlich, wenn mich ein Geſchäft
oder mein Wille in die Stadt brachte, überwacht.
Er war weit eher auf dem Asperhofe angekommen,
als das Bild fertig war, und mußte die Zeit über in
ſeiner Kiſte verpackt harren. Wir verſuchten auch

Stifter, Nachſommer. II. 11
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[161/0175] lich gearbeiteten Goldrahmen fertig vor uns ſtand, war es eine Art Feſt für uns. Roland war herbei ge¬ rufen worden, da er gegen den Schluß des Werkes eine Reiſe angetreten, und die Vollendung ſeinem Bruder überlaſſen hatte. Mehrere Nachbaren waren geladen worden, ja ein Freund und Kenner alter Kunſt, dem ich die Sache gemeldet hatte, war ſogar von ziemlich weiter Entfernung herzugekommen, um die Wiederherſtellung zu ſehen, und andere, wenn ſie auch nicht geladen waren, hatten ſich eingefunden, da ſie durch Zufall Kenntniß von der Begebenheit er¬ halten hatten, und wußten, daß ſie auf dem Asper¬ hofe nicht unwillkommen ſein würden. Es iſt nicht wahr, was man öfter ſagt, daß eine ſchöne Frau ohne Schmuck ſchöner ſei als in demſelben: und eben ſo iſt es nicht wahr, daß ein Gemälde zu ſeiner Geltung nicht des Rahmens bedürfe. Ich hatte zu unſerem Marienbilde einen Rahmen nach Zeichnungen aus mittelalterlichen Gegenſtänden beſtellt, und hatte deſ¬ ſen Ausführung gelegentlich, wenn mich ein Geſchäft oder mein Wille in die Stadt brachte, überwacht. Er war weit eher auf dem Asperhofe angekommen, als das Bild fertig war, und mußte die Zeit über in ſeiner Kiſte verpackt harren. Wir verſuchten auch Stifter, Nachſommer. II. 11

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/175>, abgerufen am 02.05.2024.