Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht ein einziges Mal das Bild in ihn zu fügen, ehe
es fertig war, um den Eindruck nicht zu schwächen.
Bei neuen Bildern zeigt freilich der Rahmen erst,
daß noch manches hinzuzufügen und zu ändern ist,
und vieles muß an solchen Bildern erst gemacht wer¬
den, wenn man sie bereits in einem Rahmen gesehen
hat. Bei alten Bildern, die wiederhergestellt werden,
ist das anders, besonders, wenn sie auf unsere Weise
hergestellt werden. Da gibt das Vorhandene den Weg
der Herstellung an, man kann nicht anders malen, als
man malt, und die Tiefe das Feuer und der Glanz
der Farben ist daher durch das bereits auf der Lein¬
wand Befindliche bedingt. Wie dann das Bild in
einem Rahmen aussehen werde, liegt nicht in der
Willkühr des Wiederherstellers, und wenn es in dem
Rahmen trefflich oder minder gut steht, so ist das
Sache des ursprünglichen Meisters, dessen Werk man
nicht ändern darf. Als unsere Maria, welche noch nicht
einmal einen Firniß erhalten hatte, aus den alter¬
thümlichen Gestalten des Rahmens, die sehr paßten,
heraussah, so war es ein wunderbarer Anblick, und
erst jezt sahen wir, welche Lieblichkeit und Kraft der
alte Meister in seinem Bilde dargelegt hatte. Ob¬
wohl der Rahmen erhabene Arbeit in Blumen Ver¬

nicht ein einziges Mal das Bild in ihn zu fügen, ehe
es fertig war, um den Eindruck nicht zu ſchwächen.
Bei neuen Bildern zeigt freilich der Rahmen erſt,
daß noch manches hinzuzufügen und zu ändern iſt,
und vieles muß an ſolchen Bildern erſt gemacht wer¬
den, wenn man ſie bereits in einem Rahmen geſehen
hat. Bei alten Bildern, die wiederhergeſtellt werden,
iſt das anders, beſonders, wenn ſie auf unſere Weiſe
hergeſtellt werden. Da gibt das Vorhandene den Weg
der Herſtellung an, man kann nicht anders malen, als
man malt, und die Tiefe das Feuer und der Glanz
der Farben iſt daher durch das bereits auf der Lein¬
wand Befindliche bedingt. Wie dann das Bild in
einem Rahmen ausſehen werde, liegt nicht in der
Willkühr des Wiederherſtellers, und wenn es in dem
Rahmen trefflich oder minder gut ſteht, ſo iſt das
Sache des urſprünglichen Meiſters, deſſen Werk man
nicht ändern darf. Als unſere Maria, welche noch nicht
einmal einen Firniß erhalten hatte, aus den alter¬
thümlichen Geſtalten des Rahmens, die ſehr paßten,
herausſah, ſo war es ein wunderbarer Anblick, und
erſt jezt ſahen wir, welche Lieblichkeit und Kraft der
alte Meiſter in ſeinem Bilde dargelegt hatte. Ob¬
wohl der Rahmen erhabene Arbeit in Blumen Ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0176" n="162"/>
nicht ein einziges Mal das Bild in ihn zu fügen, ehe<lb/>
es fertig war, um den Eindruck nicht zu &#x017F;chwächen.<lb/>
Bei neuen Bildern zeigt freilich der Rahmen er&#x017F;t,<lb/>
daß noch manches hinzuzufügen und zu ändern i&#x017F;t,<lb/>
und vieles muß an &#x017F;olchen Bildern er&#x017F;t gemacht wer¬<lb/>
den, wenn man &#x017F;ie bereits in einem Rahmen ge&#x017F;ehen<lb/>
hat. Bei alten Bildern, die wiederherge&#x017F;tellt werden,<lb/>
i&#x017F;t das anders, be&#x017F;onders, wenn &#x017F;ie auf un&#x017F;ere Wei&#x017F;e<lb/>
herge&#x017F;tellt werden. Da gibt das Vorhandene den Weg<lb/>
der Her&#x017F;tellung an, man kann nicht anders malen, als<lb/>
man malt, und die Tiefe das Feuer und der Glanz<lb/>
der Farben i&#x017F;t daher durch das bereits auf der Lein¬<lb/>
wand Befindliche bedingt. Wie dann das Bild in<lb/>
einem Rahmen aus&#x017F;ehen werde, liegt nicht in der<lb/>
Willkühr des Wiederher&#x017F;tellers, und wenn es in dem<lb/>
Rahmen trefflich oder minder gut &#x017F;teht, &#x017F;o i&#x017F;t das<lb/>
Sache des ur&#x017F;prünglichen Mei&#x017F;ters, de&#x017F;&#x017F;en Werk man<lb/>
nicht ändern darf. Als un&#x017F;ere Maria, welche noch nicht<lb/>
einmal einen Firniß erhalten hatte, aus den alter¬<lb/>
thümlichen Ge&#x017F;talten des Rahmens, die &#x017F;ehr paßten,<lb/>
heraus&#x017F;ah, &#x017F;o war es ein wunderbarer Anblick, und<lb/>
er&#x017F;t jezt &#x017F;ahen wir, welche Lieblichkeit und Kraft der<lb/>
alte Mei&#x017F;ter in &#x017F;einem Bilde dargelegt hatte. Ob¬<lb/>
wohl der Rahmen erhabene Arbeit in Blumen Ver¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0176] nicht ein einziges Mal das Bild in ihn zu fügen, ehe es fertig war, um den Eindruck nicht zu ſchwächen. Bei neuen Bildern zeigt freilich der Rahmen erſt, daß noch manches hinzuzufügen und zu ändern iſt, und vieles muß an ſolchen Bildern erſt gemacht wer¬ den, wenn man ſie bereits in einem Rahmen geſehen hat. Bei alten Bildern, die wiederhergeſtellt werden, iſt das anders, beſonders, wenn ſie auf unſere Weiſe hergeſtellt werden. Da gibt das Vorhandene den Weg der Herſtellung an, man kann nicht anders malen, als man malt, und die Tiefe das Feuer und der Glanz der Farben iſt daher durch das bereits auf der Lein¬ wand Befindliche bedingt. Wie dann das Bild in einem Rahmen ausſehen werde, liegt nicht in der Willkühr des Wiederherſtellers, und wenn es in dem Rahmen trefflich oder minder gut ſteht, ſo iſt das Sache des urſprünglichen Meiſters, deſſen Werk man nicht ändern darf. Als unſere Maria, welche noch nicht einmal einen Firniß erhalten hatte, aus den alter¬ thümlichen Geſtalten des Rahmens, die ſehr paßten, herausſah, ſo war es ein wunderbarer Anblick, und erſt jezt ſahen wir, welche Lieblichkeit und Kraft der alte Meiſter in ſeinem Bilde dargelegt hatte. Ob¬ wohl der Rahmen erhabene Arbeit in Blumen Ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/176
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/176>, abgerufen am 02.05.2024.